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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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tot, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Wäre er, Alep, gleich mit Knoll nach Hornburg aufgebrochen, würden Bak, sein Vater und seine Mutter noch am Leben sein. Er sah immer wieder das Bild seines leblosen Bruders vor sich, der über seiner Mutter gelegen hatte, als wollte er sie im Tod noch beschützen. Aleps Hass auf die Schlangen war nicht minder heftig als der, den er für ihre Auftraggeber empfand.
    Am dritten Tag nach ihrem Aufbruch aus Bitterquell setzte heftiger Regen ein. Sie hielten an und nahmen ihre Umhänge aus den Satteltaschen. Dann saßen sie wieder auf und setzten ihren Weg mit gesenkten Köpfen fort. Der Regen wurde immer stärker, eine bleigraue Wand, die den Blick verstellte. Eingehüllt in ihre Umhänge, die sich schon bald mit Wasser vollgesogen hatten, dass sie mehr schadeten als nützten, trotteten die Pferde in trostlosem Schritt dahin. Es war ein trauriger kleiner Zug, angeführt von Twist und Wigget, der sich da durchs Flache Land quälte.
    Der kleine Drache war der Einzige, der auch bei diesem Wetter seine gute Laune behielt. Wigget betrachtete es scheinbar als seine Aufgabe, um jeden Preis Freude zu verbreiten und jedes Mal, wenn er meinte, die Schwermut der beiden Menschen könnte nun auch auf ihn übergreifen, flog er auf, umrundete Kapriolen schlagend seine Gefährten, ärgerte die Pferde, flog voraus und zurück und kam immer wieder mit Neuigkeiten über Wetter, Weg und Landschaft zurück. Er entdeckte dabei ein weiteres Mal die Schönheit des Lebens, schwelgte zugleich in alten Erinnerungen und ließ die jungen Männer erbarmungslos an seiner Freude teilhaben. „Schaut nur, diese Erle dort drüben. Die erinnert mich an den Wald von … Wenn wir die Trollhöhen erreichen, zeige ich Euch, wo ich allein gegen sieben Trolle und ihren Obersten gekämpft habe. Ha, das war ein Spaß.“ Zu allem und jedem fiel Wigget eine Geschichte aus seinem früheren Leben ein. Und da es ein langes Leben gewesen war, waren es viele Geschichten, die er zum Besten gab.
    Kwin aber kümmerte das alles scheinbar nicht. Er nahm keinen Anteil an Wiggets kuriosen Erzählungen und war ungewöhnlich schweigsam. Wenn sie rasteten, war es besonders schlimm. Nicht, dass Kwin unfreundlich gewesen wäre. Er übernahm seinen Teil der Lagerarbeiten, sammelte Feuerholz oder kochte die Mahlzeiten. Alep war es anfangs recht so, aber nach den ersten Tagen fragte er sich doch, was seinen Freund bedrückte. Vielleicht brauchte er einfach nur Zeit, um all die Geschehnisse zu verarbeiten, und die wollte Alep ihm schon zugestehen. Aber hin und wieder vermisste er doch Kwins fröhliche Gelassenheit, die er so sehr an ihm schätzte. Es war ein ungemütliches Beisammensein.
     
    Der Regen ließ auch am folgenden Tag nicht nach. Kwin saß mit geschlossenen Augen im Sattel und überließ es seinem Pferd, den richtigen Weg zu finden. Die Schulterwunde pochte stark und lähmte seine rechte Seite. Er versuchte, den gemeinen Schmerz zu verdrängen und dachte an etwas anderes.
    Warum bin ich mitgekommen, fragte er sich zum wiederholten Male. In den vergangenen Tagen hatte er viel nachgedacht und mit Schrecken festgestellt, dass Alep nicht mehr derselbe war, den er vor dem Angriff der Schlangen gekannt hatte. Die Kaltblütigkeit, mit der Alep die Nat Chatkas getötet hatte, ließ ihn frösteln. Kwin konnte sich nicht mehr daran erinnern, was er bei der Verteidigung des Dorfes gefühlt hatte, aber dass unterschiedliche Empfindungen ihn beherrscht hatten, war gewiss.
    Ganz anders war es bei Alep gewesen. Kwin hatte in das ausdruckslose Gesicht seines Freundes gesehen, als er stechend und schlitzend durch die Reihen der Echsen gegangen war und ihn nicht wiedererkannt. Immerhin - und das beruhigte Kwin etwas - war auch keine Freude in seinem Gesicht gewesen.
    Seit ihren Kindertagen hatte er Alep oft in diesen tranceähnlichen Zustand versinken sehen, aber dabei war er nie in diese Gefühllosigkeit abgeglitten. Er erinnerte sich gut an die unzähligen Male, in denen Alep ihn vor den Handgreiflichkeiten der anderen Jungen aus dem Dorf beschützt hatte. Die Dorfjungen betrachteten es als eine Verletzung der Ehre, wenn sich einer der ihren mit einem Jungen vom Flachen Land abgab. Alep war Kwins bester Freund. Jedes Mal, wenn es zu einer Schlägerei gekommen war, war Alep kurz vorher im Dorf erschienen, anfangs noch in Begleitung seines Großvaters, später dann allein und hatte dafür gesorgt, dass Kwin ohne ernsthafte

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