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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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Elders.“
    Zwei Stunden später rüttelte der kleine Drache an Aleps Schulter und rief seinen Namen, so laut, dass Kwin sich unruhig auf seinem Lager zu wälzen begann. Als das nicht half hüpfte er auf seiner Brust herum, als wollte er ihm alle Rippen brechen.
    „Autsch!“ Alep fuhr hoch und tastete seine Rippen ab. „Du kleiner, mieser ...“
    „Halt, halt“, unterbrach Wigget ihn grinsend, „sagt jetzt nichts, was Ihr irgendwann bereuen könntet. Euer Freund braucht noch immer Eure Hilfe, wenn er nicht sterben soll.“
    „Und wie soll ich das machen?“, fragte Alep.
    Wigget legte den Kopf schief. „Wechselt in die Zweitsicht, Magier, und untersucht die Wunde, wie Ihr zuvor die Schichten und Stränge im Fels untersucht habt.“
    „Und dann?“
    „Das weiß ich nicht. Es ist auch für mich das erste Mal.“
    Alep stand auf und kniete sich neben Kwin. Er löste den Verband von der Schulter seines Freundes. Die Wunde sah schrecklich aus. Alep verteilte etwas von dem grauen Pulver darauf und fragte sich, was weiterhin zu tun sei.
    Er legte eine Hand auf die Brust seines Freundes und schloss die Augen. Sofort veränderte sich die Welt um ihn her. Wieder spürte er die Energien, wie dunstige Nebelschleier an einem Herbstmorgen. Aber hier waren sie bunter, wärmer. Es waren Kwins Energien. So also siehst du aus, mein lieber Kwin. Und jetzt werde ich versuchen, dich zu heilen. Not und Verderben, hoffentlich geht das alles gut.
    Das hier war doch etwas ganz anderes, als einen Edelstein im Fels zu bewegen. Im Stein hatte ein Fehler keine große Folgen, in Kwins Körper konnte schon die kleinste Unachtsamkeit eine Katastrophe heraufbeschwören. Und er wusste weder wo noch wonach er suchen musste. Irgend etwas war in der Wunde, sonst hätten die Heilmittel längst ihre Wirkung gezeigt. Ein Gift, eine abgebrochene Echsenkralle, Dreck, alles mögliche konnte im Fleisch stecken. Aber was? Und vor allem, wo genau? Und zuletzt: wie konnte er es beseitigen?
    Eines nach dem anderen, ermahnte er sich. Alep sandte seinen Geist tastend aus und in die Wunde hinein. Mühsam und äußerst bedächtig drang er vor. Das Blut war wässrig hier und hatte nichts von der gesunden tiefroten Farbe, die er kannte. Wo er auch hinsah, sah er fahlrotes Fleisch. Dann endlich stießen seine tastenden Sinne auf eine gelbe, übelriechende Blase von der Größe eines Hühnereies. Das war es, wonach er gesucht hatte! Er sammelte sich, atmete ein und aus und suchte in seiner Vorstellung das Bild einer gesunden Schulter mit kräftiger Muskulatur entstehen zu lassen. Damit zufrieden, was er im Geiste erschaffen hatte, sandte er dieses Bild immer wieder in die Wunde, forderte das Gewebe auf, alles Gift abzustoßen und dann zu heilen. Kaum war er soweit gekommen, da stöhnte Kwin und warf sich wild von einer Seite auf die andere. Alep hatte Mühe, seinen Freund festzuhalten. Twist sprang herbei und legte sich mit seinem ganzen Gewicht auf Kwins Brustkorb. Alep erschien er wie ein bronzefarbener Schemen. Warm und vertraut. Jetzt lag Kwin wieder still. Alep öffnete die Augen und kehrte ins Hier und Jetzt zurück. Gerade rechtzeitig um mitanzusehen, wie die Wunde schließlich aufbrach und grüner und gelber Schleim im Takt von Kwins Herzschlag über die Wundränder tropfte. Er betrachtete die offene Wunde, konnte aber keinen Unterschied zu vorher feststellen. War das genug, fragte er sich unsicher. Da sah er, wie sich die Wundränder unter seinem Blick zusammenzogen. Neue Haut bildete sich. Eine rote fette Narbe entstand, die aber schon nach wenigen Sekunden zu schrumpfen begann, bis sie gänzlich verblasst war. Das hatte wohl besser geklappt als erwartet. Alep war sehr zufrieden. Er sah sich nach Wigget um. Der saß noch immer auf der anderen Seite des Feuers und beobachtete aufmerksam jede Bewegung.
    „Ich habe getan, was ich tun konnte“, sagte Alep. Plötzlich und ohne Vorwarnung kam die Müdigkeit. Schläfrig erhob er sich und wankte zu seinem Lager. Ein letzter Blick zu Kwin zeigte ihm, dass der junge Tischler gleichmäßig und ruhig atmete. „Jetzt werde ich ...“
    „Nur noch einen Moment, Magier,“ forderte Wigget mit Nachdruck. „Ich gratuliere zu dieser ausgezeichneten Bewährungsprobe. Aber beim nächsten Mal solltet Ihr zur Unterstützung eures Zaubers Worte benutzen. Verse sind sehr hilfreich und vereinfachen das Ganze ungemein.“
    „Ah, ja?“, fragte Alep schon im Halbschlaf. „Ein guter Rat. Danke.“
    Wigget trippelte zu Alep.

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