Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

er und wähnte sich schon auf der Siegerstraße. Nun galt es nur noch, den entscheidenden Stoß zu setzen.
     
    „Ich kann die Welt nicht mehr verstehn.
    Es spricht zu mir ein Klumpen Lehm,
    Bestimmt hat Euer Herr gelacht,
    nachdem er Euch in Form gebracht?
    Als er im Ofen Euch gebrannt,
    wart Ihr da schon hineingebannt -
    in diesen untersetzten Rumpf?
    Ihr ähnelt eher einem Strumpf!
    Ein Kopf, zwei Hände, Arm und Bein
    Ein Narr muss Euer Meister sein!
    Ich sehe Euch und denke: schäbig!
    denn Euer Herr war Euch nicht gnädig.“
     
    Bei seinen letzten Worten hatte sich Wiggets Kopf auf seinem langen Hals immer höher gehoben, bis er auf Knoll herabsehen konnte. Wigget war sehr zufrieden mit sich. Nach seiner eigenen Rechnung führte er uneinholbar.
    In seiner Freude hatte er aber Knolls knorrige Pranke vergessen. Mit einem seltsam ungelenken aber weiten Sprung sprang der Golem heran und schlug nach Wigget, traf den Hals des Drachen, dass sein Kopf zur Seite flog. Als wäre nichts geschehen, sprach der Golem nachdenklich:
     
    „Jetzt ist er weg, wo ist er hin?
    Ich habe ihn nicht gehen sehen.
    Keine Zeit, Euch zu verfluchen,
    den Auserwählten muss ich suchen.“
     
    In dem kleinen Drachenkörper wallte heiß der gerechte Zorn. Der Schlag war eine Verletzung aller ihm bekannter Regeln. Auch wenn er es in seinem ersten Leben mit Regeln nicht so genau genommen hatte, wusste er inzwischen um die Notwendigkeit ihrer Einhaltung. Jetzt gab es allerdings kein Halten mehr. Wigget sprach mit harter Stimme:
     
    „Schändlich habt Ihr Euch benommen
    nun sollt Ihr Euren Lohn bekommen.
    Die edle Duellantenregel
    habt Ihr gebrochen wie ein Flegel.
    Ein Schlag zu viel, das Maß ist voll.
    jetzt müsst ihr brennen, Golem Knoll.“
     
    Aus Wiggets Rachen schoss ein hell lodernder Flammenstrahl, in dem all sein Ärger und sein gerechter Zorn lag. Knolls Umhang fing sofort Feuer. Die ungelenken Versuche des Golems, die lodernden Flammen auszuschlagen, scheiterten kläglich. Mit einem Aufschrei lief er die wenigen Meter bis zum Hafenbecken und sprang ins Wasser.
    Wigget war gelandet und verfolgte Knolls Sprung in den See mit einem zufriedenen Lächeln. Vom Regen in die Traufe, dachte er, als Knoll eintauchte. Soviel Geist hatte er von Pretorius erstem Diener doch erwartet. Wasser war für den Golem nicht minder tödlich als Feuer. Gemächlich spazierte Wigget an die Kaimauer und sah nach unten. Von dem Umhang war nicht viel übriggeblieben. Er trieb schwarz und verkohlt hinaus auf die See. Darunter aber tauchten aufgeweichten Erdklumpen aus der Tiefe auf, die kläglichen Überreste Knolls. Nun musste Pretorius sich eben einen neuen Golem formen. Wigget schwang sich zufrieden in die Luft und machte sich auf die Suche nach Alep und Kwin und Twist.

8. Der Meistermagier
     
    Als Alep durch Hornburgs Hafenviertel schritt, tat er dies mit einem Gefühl tiefer Ehrfurcht. Hier war zweitausend Jahre vor ihm der Drachenbezwinger und Bewahrer der Einheit Hann T’Brien gegangen. In der Hand die abgehauene Tatze vom schwarzen Wikt, um sie seinem König zu Füßen zu legen. Hier - oder zumindest in der Nähe - hatte Shender Fossos, General und nachfolgender Ratgeber des Königs, gestanden und seine Truppen inspiziert, bevor er seinen unglückseligen Pakt mit den Lords von Heetland geschlossen hatte. Hier war Rodgatt, Ratgeber und erster königlicher Meistermagier mit der erschreckenden Kunde von König Hirlots Tod in der Hauptstadt gelandet, nachdem er in den Wassern von Ju’Licka-Nor die schreckliche Wahrheit um Burnyks Zukunft geschaut hatte. Pretorius lebte hier und König Antever regierte sein Reich von diesem Ort aus. Altehrwürdiger Boden war das, worauf er ging und Alep fühlte sich ein bisschen erhaben.
    Die Gefährten hatten den Hafen hinter sich gelassen und spazierten gemächlich dahin. Ihre eher ländliche Geschwindigkeit reizte so manchen Hornburger, und wilde Flüche wurden ihnen entgegen geschleudert, wenn sie einem Wagen im Weg standen oder nicht schnell genug zur Seite sprangen.
    Hornburgs Händlerviertel lag weitab vom eigentlichen Stadtkern. Alep bemerkte gleich, dass sie es erreicht hatten, denn entlang der Häsuer reihte sich ein bunt verkleideter Verkaufsstand an den anderen. Die Hauptstraße führte direkt auf den großen Marktplatz. Erstaunt blieb Alep stehen. Der ganze Platz brummte vom geschäftigen Treiben der Händler und Käufer. Überall standen bunte Buden und Stände und die Verkäufer versuchten sich