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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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schnell?«
    »Nein, nein, keine Sorge. Nur etwas trinken.«
    Die Stewardess brachte das Wasser, bedachte den General mit einem neugierigen, angespannten Blick und fragte mit professionell
     teilnahmsvollem Lächeln: »Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Wie kommen Sie darauf?«, herrschte Natalja sie an. »Mit ihm ist alles in Ordnung!«
    »Natalja«, flüsterte der General und streichelte ihre Hand, »ruhig, ganz ruhig.«
    Sie wusste, dass sie nicht so auf die besonderen Blicke reagieren durfte, die ihren Mann nun ständig verfolgten.Aber sie konnte nichts dagegen tun. Sie nahm es den Menschen übel, dass sie Wladimir so ansahen. Sein Gesicht trug immer deutlicher
     den Stempel der Krankheit, ja, eigentlich den des Todes. Die Menschen spürten das und schauten ihn an, als wollten sie in
     seinen entzündeten Augen, in den Falten seiner totenblassen Haut ein grausiges, aber brennend interessantes Geheimnis lesen.
    Diese Blicke enthielten vieles – Neugier, Unverständnis, Angst, Ekel. Manchmal, sehr selten, auch Mitleid. Im normalen, hektischen
     Strom des Alltags erinnerte Wladimirs Gesicht sie an etwas, woran sie – zu Recht – nicht denken mochte.
    Schaut nicht so, lasst das, rief Natalja im Stillen. Das betrifft euch noch nicht, ihr seid gesund und munter. Freut euch,
     und Gott mit euch, aber schaut nicht so!
    Die Maschine setzte weich zur Landung an. Draußen erschienen bunte Lichter, ein riesiges Lichtermeer. Wegen dieser blinkenden
     Schönheit kehrte Natalja gern nachts nach Moskau zurück.
    »Natalja, ich muss dir etwas sagen«, begann der General, den Kopf zu ihr geneigt.
    Sie hörte nur sein heiseres Brummen und verstand kein Wort. Ihre Ohren waren verstopft.
    »Was ist, Wladimir?«
    »Dort in Moskau … Es ist wichtig, du musst darauf vorbereitet sein … Michail Raiski hat …«
    »Ich höre nichts.« Sie verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Sprich lauter, ich höre nichts.«
    Aber lauter konnte er nicht.
    Schließlich landete das Flugzeug.
    Es wurde unruhig, eine angenehme Frauenstimme bat die Passagiere eindringlich, bis zum endgültigen Verstummen der Motoren
     sitzen zu bleiben.
    Eine Stewardess kam zu ihnen, beugte sich respektvollüber den General und sagte halblaut: »Ihr Wagen wartet auf dem Flugfeld. Kommen Sie, ich begleite Sie.«
    Sie traten auf die Gangway, und ein heftiger, warmer Wind blies ihnen ins Gesicht. Im hellen Licht der Scheinwerfer erkannte
     der General sofort den schwarzen Mercedes des Sicherheitsdienstes der Bank. Eine männliche Silhouette löste sich vom Auto
     und kam auf die Gangway zu. Eine dunkle Brille verdeckte sein halbes Gesicht.
    »Wer ist das, Wladimir?«, fragte seine Frau besorgt. »Warum trägt er eine Brille?«
    Doch der General hörte sie nicht. Er musterte über ihren Kopf hinweg das verschwommene Gesicht des Unbekannten, um zu sehen,
     welchen seiner Männer Pleschakow geschickt hatte und warum der Mann eine dunkle Brille trug.
    Natalja wandte sich erneut zu ihrem Mann um, verfehlte eine Stufe und wäre beinahe gestürzt. Der Mann mit der Brille fing
     sie auf; die andere Hand reichte er dem General.
    Der Wind heulte, man verstand kein Wort. Die anderen Passagiere kamen nun ebenfalls die Gangway herunter. Der Mann mit der
     Brille führte die Gerassimows zum Wagen.
    Das Gesicht dem General zugewandt, erklärte er diesem leise etwas. Der General nickte. Auf halbem Weg zum Mercedes blieben
     sie stehen. Der General nahm dem Mann rasch die Brille ab, und beide wandten sich Natalja zu, versuchten ihr etwas zu sagen,
     doch ihre Ohren waren noch immer verstopft. Sie schüttelte den Kopf, zuckte verwirrt die Achseln, und plötzlich schlug ihr
     Herz wie wild, ihre Beine wurden watteweich, sie schwankte und schrie, Wind und Motorendröhnen übertönend: »Serjosha!«

Dreiunddreißigstes Kapitel
    Grelles Licht traf Angelas Augen, sie hatte das Gefühl, als sei alles ringsum in Feuer getaucht, als könne sie nichts sehen
     und nicht atmen.
    »He, genug gepennt!«, sagte eine vertraute Stimme über ihr.
    Sie wandte sich vom Licht ab und öffnete nun erst die Augen. Über ihr stand Mila, ihre einzige enge Freundin, die bei ihr
     wohnte und ihr den Haushalt führte.
    »Spinnst du? Was ist denn los? Wie spät ist es?«
    »Vier Uhr früh. Steh auf, zieh dich an, schnell!«
    »Wieso? Ich will schlafen!«, maulte Angela und zog an der Bettdecke, doch Mila hielt sie fest.
    »Wir müssen sofort ins Krankenhaus!«
    »Ins Krankenhaus? Wieso?«
    Angela hatte sich nun an

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