Der Falsche Krieg
betreffenden Einrichtungen sicher beschleunigt hat. Wie beim Sturz des Kommunismus ging die Privatisierung Hand in Hand mit allgemeiner Korruption.
Das Scheitern der Demokratisierung von oben
Dennoch entspricht die Demokratisierung dem Wunsch des Volkes, was an der Tatsache ablesbar ist, dass die Menschen wählen wollen, selbst wenn die Wahlen unter gefährlichen Umständen stattfinden (Afghanistan im Oktober 2004, Irak im Januar 2005). Warum sprechen wir dann trotzdem von Scheitern?
Der Hauptgrund ist der, dass die Neokonservativen wie auch die internationalen Organisationen die Demokratie einfach für eine Sache von Institutionen und Wahlen halten (das trifft auch für den Aufbau Europas aus der Sicht von Brüssel zu). Die Verfassung ist ein Ziel an sich, sie definiert ganz allein einen politischen Raum. Und so rechnete Washington damit, dass die amerikanischen
Truppen nach kurzen, aber harten Kämpfen mit offenen Armen empfangen würden. 11 Die Menschen in Afghanistan und im Irak würden innerhalb von zwei oder drei Jahren eine funktionsfähige Demokratie und stabile Institutionen errichten. Die Wirtschaft würde, befreit von staatlichen Zwängen, einen unerhörten Aufschwung erleben. Die anderen Völker - Iraner, Syrer, aber auch Palästinenser und Saudis - würden neidisch auf die irakische Entwicklung blicken und sich ihrer Regime entledigen oder wenigstens Reformen durchsetzen. Da Demokratien untereinander keine Kriege führen, würden alle Israel anerkennen, demnach wäre Israels Sicherheit durch die Demokratisierung der arabischen Staaten garantiert. Terrorismus wäre keine Option mehr. Die Dominotheorie würde zugunsten des Westens funktionieren. Es ist verblüffend, in welchem Ausmaß sich die Neokonservativen durch historische Analogien lähmen ließen (etwa durch den Wiederaufbau Deutschlands und Japans nach 1945 oder den Zerfall des Sowjetreichs, der auf die Rollback-Politik von Ronald Reagan zurückgeführt wurde, an der im Übrigen viele heutige Neokonservative aktiv beteiligt waren).
Wenn man die Probleme des Mittleren Ostens mit kulturellen und gesellschaftlichen Blockaden erklärt, die man ignorieren kann oder umgehen muss, klammert man die politische Dimension der Probleme aus und vor allem alles Weitere, was mit der Politik der Vereinigten Staaten zu tun hat (Unzufriedenheit mit ihrer Dominanz in der Region und ihrer Tatenlosigkeit angesichts des israelisch-palästinensischen Konflikts).
Aber vor allem vergisst man, dass es keine Demokratie ohne politische Legitimität gibt. Denn politische Legitimität verlangt, dass die Akteure in der Geschichte, den Traditionen und dem sozialen Gefüge des Landes verwurzelt sind. Hier öffnet sich eine Kluft zwischen der »Zivilgesellschaft«, wie die Theoretiker der Demokratisierung sie sich vorstellen, und der realen Gesellschaft.
Der Theorie von der Demokratisierung fehlt die gesamte politische Dimension einer modernen Gesellschaft, das heißt der Staat, und die gesamte anthropologische Dichte einer traditionellen Gesellschaft. Die entscheidende Frage, die es zu klären gilt, betrifft die politische Legitimität jener Akteure, die auf einmal in den Vordergrund rücken und die neue Demokratie verkörpern sollen, wie etwa der Iraker Ahmed Chalabi. Gemäß der Doktrin der Zivilgesellschaft reicht es aus, dass die Akteure die Zivilgesellschaft repräsentieren, damit sie ipso facto legitim sind; doch meistens werden sie von der jeweiligen Bevölkerung entweder als eine neue Art von businessmen wahrgenommen oder als Agenten »des amerikanischen Imperialismus und des Zionismus«. Und wenn umgekehrt die Westler in ihnen »neue Menschen« zu erkennen glauben, übersehen sie häufig ihre Bindungen an Familienclans und Stämme, an eine ethnische Gruppe oder Gemeinschaft sowie eigene politische Überzeugungen, ohne die sie nichts wären.
Die Politik der Demokratisierung hat aber durchaus Wirkungen gezeigt. Sie hat dazu beigetragen, einen politischen Raum zu öffnen, und hat einer gewissen Zahl
von politischen Kräften erlaubt, sich zu Wort zu melden und Macht zu gewinnen. Dass es sich hauptsächlich um islamistische Bewegungen handelt, dürfte uns nicht überraschen, denn sie stützen sich auf die beiden Fundamente der politischen Legitimität in der Region: den Nationalismus und den Islam. Der große Irrtum der Amerikaner (und der Europäer) lag darin, dass sie sich die Demokratisierung bloß abstrakt vorgestellt und sie nicht mit Hilfe von politischer
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