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Der Falsche Krieg

Titel: Der Falsche Krieg
Autoren: Olivier Roy
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dass er alles verliert. Natürlich können geheime Gruppen Terroraktionen gegen amerikanische Interessen ausführen, aber die etablierten Bewegungen (Hamas, Hisbollah, Dawa im Irak) haben kein Interesse an einer Eskalation. Außerdem denken viele iranische Konservative, dass Ahmadinedschad den Bogen bereits überspannt hat. Die iranische Frage ist darum ein wesentlicher Schlüssel für die weitere Entwicklung der Krise.

DRITTES KAPITEL
    Der Iran zwischen Bombe und Bombardierung

    Die Frage nach dem iranischen Atomprogramm ist komplex. Einerseits weiß man nicht, wann die Iraner so weit sein werden, dass sie die Bombe bauen können. Andererseits profitieren sie bereits dann von einem Abschreckungseffekt, wenn andere ihnen auch ohne einen erfolgreichen Nukleartest zutrauen, dass sie im Besitz der Bombe sind. Ein dritter und wesentlicher Punkt betrifft die Haltung der westlichen Staaten angesichts der Frage, wie die Gefahr überhaupt zu definieren ist. Fast alle sind sich darin einig, dass es nicht hinnehmbar wäre, wenn der Iran die Atomkraft militärisch nutzen könnte. Aber worin besteht genau die Bedrohung, die von einem iranischen Nuklearprogramm ausgeht?
    Darauf gibt es zwei Antworten, die unterschiedliche politische Konsequenzen haben. Die erste Antwort besagt, das Regime sei das Problem: Eine islamische Republik werde versucht sein, die Bombe gegen Israel einzusetzen, oder sie im Sinne einer Schutzwallfunktion nutzen, um terroristischen Gruppen im Land Unterschlupf zu gewähren. Die zweite Antwort hält dafür, dass die Abschreckung unabhängig vom jeweiligen Regime funktioniert. Das Problem liegt somit eher in der Proliferation, die durch den Abschluss des iranischen Atomprogramms möglich wird, denn Ägypten, Saudi-Arabien und die Türkei dürften dann ebenfalls atomar aufrüsten. Der Iran hat den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet (im Gegensatz zu Indien, Pakistan und
Israel), der Austritt des Iran würde das Ende des Vertrags bedeuten.
    Welcher Strategie man folgt, hängt von der Hypothese ab, die man für richtig befindet: Im ersten Fall muss man auf einen Regimewechsel drängen, im zweiten Fall ist der Iran als regionale Atommacht das Problem. Man muss sich also entscheiden: Soll es in erster Linie um das Regime gehen oder um das Atomprogramm?
    Ein Pokerspiel hat begonnen. Die Hardliner in Teheran glauben nicht an einen Militärschlag der Amerikaner. Sie denken, dass das Schadenspotenzial des Iran an allen Fronten so groß ist, dass die Vereinigten Staaten sich eine Eskalation nicht erlauben dürfen. In erster Linie haben sie dabei die Lage im Irak im Sinn, aber das Gleiche gilt für den Libanon, Afghanistan, den Golf, und sogar mögliche terroristische Aktionen gegen amerikanische wirtschaftliche und militärische Ziele. Umgekehrt wäre es auf amerikanischer Seite schwierig für Präsident Bush - der 2004 wiedergewählt wurde, weil er die Parole vom bedingungslosen Kampf gegen den »weltweiten Terrorismus« ausgegeben hatte -, seine Amtszeit mit dem Eingeständnis des Scheiterns (im Irak) und der Schwäche (im Iran) zu beenden. Daher erhöhten die Amerikaner Anfang 2007 den Druck, als wollten sie die Weltöffentlichkeit auf die Bombardierung der iranischen Nukleareinrichtungen vorbereiten.
    Die Frage wird noch dadurch verkompliziert, dass abgestufte Wirtschaftssanktionen mit dem Ziel, den Iran zur Einstellung seines Atomanreicherungsprogramms
zu bewegen (was der Linie der Europäer seit 2003 entspricht), keine Chancen auf Erfolg haben, selbst wenn der Iran »finassierte« und sein Programm verlangsamte. Wirksam werden nur Sanktionen sein, die mit einer militärischen Drohung einhergehen (Bombardierung der Atomanlagen). Im Januar 2007 nahm Präsident Bush diese Haltung ein, was sich an der Verhaftung iranischer Offizieller im Irak, Droherklärungen und der Konfrontation mit den Milizen und Führungsleuten von Muktada Sadr im Irak zeigt. Zugleich organisierte er die wirtschaftliche Blockade des Iran, ohne eine entsprechende Resolution des Sicherheitsrats zu erwirken; sie scheiterte am Widerstand der Russen und Chinesen. Die großen internationalen Banken haben auf amerikanischen Druck hinter den Kulissen den Geschäftsverkehr mit dem Iran eingestellt. Diese Politik hat bei pragmatischen Konservativen im Iran durchaus Wirkung gezeigt, beispielsweise bei Rafsandschani, der die Ansicht vertritt, dass der Iran seine Ziele auch ohne Konfrontation erreichen kann. Den Hintergrund zu seiner Haltung bildeten
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