Der Falsche Krieg
funktioniert das System auf der Basis eines umfangreichen Netzes von Klientelbeziehungen und Hilfeleistungen, die durch Öleinnahmen und Gelder von den Stiftungen finanziert werden. Fügen wir noch hinzu, dass die Pasdaran auch Geschäfte machen: Im Jahr 2004 schlossen sie den neuen Flughafen von Teheran, vorgeblich wegen Sicherheitsmängeln. Der wahre Grund war ein ganz anderer: Die Verwaltung des Flughafens
sollte eine türkische Gesellschaft übernehmen, die in Konkurrenz zu einer von den Pasdaran geleiteten Gesellschaft stand. Durch die Vermischung von Klientelwirtschaft und ideologischer »Reinheit« sind die Pasdaran in der Lage, eine ausreichend große Wählerschaft zu mobilisieren, damit die Wahlen in ihrem Sinn ausgehen, insbesondere wenn die gemäßigten Wähler nicht abstimmen. Genau das ist bei der letzten Präsidentschaftswahl passiert.
Die Allianz mit dem Klerus
Ahmadinedschad, geboren 1956, entstammt einer neuen Generation, für die die prägende Erfahrung weniger der Kampf gegen das Schah-Regime war als der Krieg gegen den Irak (1980 - 1988). Er absolvierte ein Ingenieurstudium, erlangte den Doktorgrad aber erst 1987, als er bereits staatliche Ämter innehatte. Der neue Präsident ist ein perfektes Beispiel für die »islamistischen Ingenieure«, die über die gesamte muslimische Welt verstreut das Skelett der fundamentalistischen Bewegungen bilden. Was den Iran zu einem besonderen Fall macht (und wodurch sich weitgehend der Erfolg der Revolution erklärt), ist eine Allianz zwischen militanten Kräften mit laizistischer Ausbildung und einem Teil des Klerus.
Allem Anschein nach hat Ahmadinedschad sehr enge Beziehungen zu Ayatollah Mohammed Taqi Mesbah
Yazdi. Der Ayatollah wurde 1935 geboren und ist heute im Klerus ein Vertreter der »revolutionären Konservativen«. Er gehört zu einer Generation, die sich in den fünfziger Jahren in der Organisation »Hojjattiye« engagierte, die offiziell geschaffen worden war, um die Baha’i 1 zu bekämpfen, aber auch als oppositionelle Organisation im Kampf gegen den Schah genutzt wurde. Mesbah Yazdi stand Ayatollah Beheschti nahe, Khomeinis erstem Kronprinzen, der 1981 ermordet wurde, und war zusammen mit ihm an der Gründung des Seminars Haqqani in Qom (Ghom) beteiligt, wo die künftigen Verantwortlichen des islamischen Regimes mit einer Mischung aus religiöser und moderner laizistischer Bildung auf ihre Aufgaben vorbereitet wurden: Laien mit Abschlüssen von den staatlichen Universitäten sollten eine religiöse Ausbildung erhalten und die »Religiösen« eine Ausbildung in Gesellschaftswissenschaften.
Ahmadinedschads Berater ist Mitglied im Expertenrat, der den Obersten Führer wählt. Obwohl er keine weiteren offiziellen Funktionen innehat, ist er trotzdem eine einflussreiche Persönlichkeit. Einige Personen aus seinem engen Umfeld sowie ehemalige Schüler von ihm standen an der Spitze der Geheimdienste. Er steht dem Westen sehr feindselig gegenüber und hat als einer der Ersten öffentlich das Atomprogramm gebilligt. In religiösen Fragen konservativ, vertritt er politisch radikale Positionen und führt die für die iranische Revolution typische messianische Dimension fort. Das erklärt insbesondere, warum das Thema der Rückkehr des verborgenen
Imams auf einmal wieder so aktuell geworden ist: Der zwölfte Imam, Abkömmling und Vertreter des Propheten, so will es die Tradition, ist seit seinem Verschwinden im Jahr 873 verborgen und wird eines Tages wieder auf die Erde zurückkommen, um Gerechtigkeit zu schaffen. Mahmud Ahmadinedschad hat diese Idee in seiner Rede vor der Freitagsversammlung der Imame am 16. November 2005 aufgegriffen. Zudem hat sich der Präsident in der Vergangenheit wiederholt auf eine göttliche Eingebung berufen, wie bei seinem Auftritt vor der UN-Vollversammlung im September 2005; eine so intensiv zur Schau gestellte persönliche Religiosität gab es bis dahin bei den iranischen Führern nicht, die sich eher politisch als mystisch gerierten.
Mesbah Yazdi ist ein großer Anhänger der Theorie von Vilayat-e fâqih (der Herrschaft des Rechtsgelehrten) und vertritt die Auffassung, dass der Wille des Revolutionsführers mehr Gewicht hat als der Wille des Volkes. Deshalb lehnt er den Gedanken ab, der Revolutionsführer müsse auf seine Macht verzichten, damit die Revolution in eine Demokratie münden könne.
Zu dem klerikalen Netz gehören noch weitere wichtige Persönlichkeiten, beispielsweise Ayatollah Dschannati, der Vorsitzende des
Weitere Kostenlose Bücher