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Der falsche Mann

Der falsche Mann

Titel: Der falsche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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führte.
    » Wen wollen Sie als Ihren Anwalt, Mr. Stoller?«
    Tom blickte uns beide an. Dann zeigte er auf mich. » Ihn«, sagte er.
    » Deuten Sie auf Mr. Kolarich?«
    » Okay.«
    Der Richter holte tief Luft. » Obwohl Mr. Kolarich nur etwa sechs Wochen haben wird, um sich auf diesen Prozess vorzubereiten? Denn es ist wie gesagt sehr unwahrscheinlich, dass ich den Prozesstermin verschieben werde.«
    » Will ich nicht«, murmelte Tom.
    » Würden Sie das bitte wiederholen, Mr. Stoller?«
    » Ich wil l’s nicht verschieben. Es soll vorbei sein.«
    Der Richter musterte Tom einen Moment lang mit nachdenklich gerunzelter Stirn.
    » Darf ich etwas sagen, Herr Richter?«, meldete ich mich zu Wort.
    » Sie dürfen.«
    » Mein Klient möchte keinen Aufschub, Herr Richter. Aber vielleicht will ich es. Mein Mandant leidet unter einer geistigen Erkrankung, und ich denke, er sollte meinen Rat annehmen. Bisher hat er es noch nicht getan. Und im Augenblick bin ich auch noch nicht ausreichend vorbereitet, um einen Terminverschiebungsantrag einzureichen, aber möglicherweise werde ich es tun.«
    » Sie bürden sich da eine große Verantwortung auf«, warnte mich Richter Nash. Dann bewilligte er den Antrag, mich als leitenden Verteidiger einzusetzen, und rief den nächsten Fall auf.
    Ich blickte hinter mich zu Deidre Maley – Tante Deidre –, die mit Tränen in den Augen verfolgte, wie ihr Neffe aus dem Gerichtssaal geführt wurde. Als er verschwunden war, richtete sie ihren Blick auf mich.
    Ihre Lippen formten ein stummes Danke, und in ihrem Gesicht spiegelte sich neu erwachte Zuversicht.
    Ich hoffte sehr, dass sie begründet war.
    6
    Fragen Sie mich nicht, warum ich bestimmte Dinge tue.
    Warum ich beispielsweise bis tief in die Nacht im Vic’s abhing – das lässt sich noch einigermaßen leicht beantworten. Der Wodka hilft mir schlafen. Außerdem trinke ich nicht gerne allein, selbst wenn ich niemanden in der Bar kenne.
    Aber was den Zwischenfall mit dieser jungen Frau betrifft – da sollten Sie mich besser nicht fragen.
    Sie saß am anderen Ende der Bar, und während drei Stunden sah ich immer wieder mal zu ihr rüber. Sie war allein gekommen, vielleicht gegen zehn oder halb elf. Schlank und dunkelblond und hübsch. Aber nicht wie eine Barbiepuppe. Ein zartes Gesicht, eine leicht gekrümmte Nase, aber das Entscheidende war ihr Ausdruck. Als hätte sie schon eine Menge erlebt.
    Charakter nennt man das wohl. Ich mag Gesichter mit Charakter. Barbiepuppen traue ich nicht über den Weg. Ich ziehe Frauen vor, denen nicht ständig bewusst ist, wie attraktiv sie sind.
    Also, etwa gegen halb elf kam sie herein. Blieb für sich. Blickte ein- oder zweimal in meine Richtung, aber das lag wohl eher daran, dass ich direkt gegenüber am anderen Ende des Tresens saß.
    Sie war nicht das Problem. Auch nicht die Yuppies und Burnouts mittleren Alters in ihren Businessanzügen, die großspurig daherredeten und immer wieder mal ihr Glück bei ihr versuchten.
    Das Problem waren die beiden Typen in der Sitznische in der Ecke. Dunkelhäutige Italiener mit einer dicken Haarmähne und noch dickeren Hälsen.
    Den ersten Drink schickten sie der Lady etwa um Mitternacht, als die Zahl der Gäste von circa dreißig auf unter zehn gesunken war. Ein Glas Pinot. Sie drehte sich um, lächelte und schaute wieder weg, ehe die beiden Männer ihr mit ihren Scotchgläsern zuprosten konnten.
    Der zweite Drink kam eine halbe Stunde später, als nur noch ein kleiner Rest Wein in ihrem Glas war. Sie sagte etwas zu dem Barmann, das ich nicht verstehen konnte, entweder weil ich bei meinem vierten Wodka angelangt war, oder weil ihre Stimme zu ihrem zarten Körperbau passte.
    Der Barmann brachte den beiden Schlägertypen in der Ecke persönlich die nächste Runde Scotch, und seine Stimme war besser verständlich als die der Lady.
    » Sie sagt danke, Jungs, aber sie ist heute Abend nicht in der Stimmung für Gesellschaft. Sie hofft, ihr nehmt es ihr nicht übel.«
    » Ho!«, rief einer der Italiener gekränkt.
    Die peppige Popmusik war von sanft plätscherndem Bar-Jazz abgelöst worden. Noch immer schwebte ein Hauch von Eau de Cologne über der Bar. Ich wurde langsam müde und fühlte die nötige Bettschwere, aber irgendetwas sagte mir, dass ich noch ein wenig bleiben sollte.
    Außerdem konnte ich etwas Training gut gebrauchen. In der Woche, seit ich Tom Stollers Fall übernommen hatte, hatte ich sämtliche von der Anklage ausgehändigten Beweismittel gesichtet, ebenso wie

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