Der falsche Mann
Schlag mit dem Ellbogen. Ich bin Rechtshänder, aber aus irgendeinem Grund kann ich mit dem linken Ellbogen kräftiger zuschlagen. Komisch. So wie mein Bruder, der Rechtshänder ist, den Golfschläger aber mit links schwingt.
Mein Ellbogen erwischte ihn genau an der Schläfe. Das Verdienst, ihn umgehauen zu haben, gebührte allerdings nicht mir allein, denn der Gehweg war an dieser Stelle mit spiegelglattem Eis überzogen. Wie dem auch sei, er verlor die Balance, krachte hart auf seine linke Schulter, und sein Kopf knallte unsanft aufs Eis.
Vielleicht sind unterdrückte Aggressionen dafür verantwortlich. Irgendetwas aus meiner Kindheit, das wieder hochkommt. Meine Mutter hat mich immer ermahnt, ich könne nicht alle meine Probleme mit den Fäusten lösen.
Aber wie schon erwähnt, es war der Ellbogen.
» Das muss wehgetan haben«, sagte ich zu dem anderen Schläger. » Ich heiße übrigens Jason. Und wie heißen Sie?«
» Verdammt, was soll das?«, knurrte er. Das klang wie eine rhetorische Frage. Er machte einen auf harten Burschen, aber wenn ich das unsichere Flackern in seinen Augen richtig deutete, wollte er eine Eskalation vermeiden. Mehr Bellen als Beißen. Erneut schrieb das Protokoll vor, dass ich ihm die Chance gab, den Rückzug anzutreten und dabei das Gesicht zu wahren.
» Sie haben mir immer noch nicht Ihren Namen verraten«, erwiderte ich. » Nur um Ihnen ein bisschen auf die Sprünge zu helfen – er endet vermutlich mit einem Vokal.«
Der andere Kerl kniete inzwischen auf dem Boden. Seine Schulter machte ihm eindeutig zu schaffen. Außerdem litt er vermutlich unter Kopfschmerzen. Dieses Eis kann wirklich tückisch sein.
» Wir sehen uns wieder. Verlassen Sie sich drauf.« Das kam vom ersten Schläger, der die Frau losgelassen hatte und nun zu seinem Kumpel trat, um ihm aufzuhelfen.
» Ich bin so ziemlich jeden Abend hier zu finden«, sagte ich.
Sie ließen sich Zeit für ihren Abzug. Nummer zwei richtete sich auf, wobei er leise fluchte und irgendwas Feindseliges murmelte. Aber schließlich verzogen sie sich. Die Bedrohung war vorüber.
Die Frau hätte mittlerweile längst beim nächsten Block sein können. Doch sie war geblieben. Sie verfolgte den Abmarsch der beiden und wartete, bis sie endgültig verschwunden waren.
Dann drehte sie sich zu mir. » Ich kann meine Probleme sehr gut allein lösen, danke.«
» Sie hatten die Situation also absolut unter Kontrolle, ja?«
» Es ist eine Art Spezialität von mir geworden, Blödmänner abzuwimmeln.«
Zu welchen ihr momentanes Gegenüber nicht zählte, da war ich mir sicher. Sie strich mit den Händen über ihren weißen Mantel. Gefrorener Atem drang aus ihrem Mund. Ihre Fußknöchel wirkten sehr zerbrechlich auf dem Eis.
» Einen sicheren Heimweg«, sagte ich.
Ohne ein weiteres Wort marschierte sie davon.
7
Am nächsten Morgen traf ich um neun in meiner Kanzlei ein. Ich hatte flexible Bürozeiten, und an gerichtsfreien Tagen begann ich den Tag üblicherweise mit einem Fitnessprogramm und kam erst spät in die Kanzlei. Heute jedoch wollte ich meine Notizen über die Beweisführung der Anklage im Fall Stoller abschließen, sie abtippen lassen und damit die erste provisorische Grundlage einer Datenbank erstellen.
Ich stieß die Tür mit dem Schriftzug TASKER & KOLARICH auf und lächelte unserer jungen Empfangsdame Marie zu, die einen Abschluss in Archäologie hat, sich aber schwer mit produktiver Arbeit und einem geregelten Erwerbsleben tut.
» Bitte keine Anrufer durchstellen«, sagte ich. » Ich habe in zehn Minuten eine Telefonkonferenz mit dem Pentagon.«
Sie blickte kaum auf. Vor ihr lag ein Dokument, also musste sie tatsächlich ernsthaft gearbeitet haben. » Sie haben einen Termin um zehn Uhr dreißig.«
Richtig. Hatte ich ganz vergessen. Irgendein Kerl hatte vor ein paar Tagen angerufen, war aber nicht damit herausgerückt, was er eigentlich wollte.
Shauna Tasker, meine Kanzleipartnerin, hatte ein junges Paar in ihrem Büro. Schätzungsweise ging es um einen Immobilienkaufvertrag, der auf beide Namen laufen sollte. Shauna war gut im Diversifizieren ihrer Tätigkeit. Zwar bevorzugte sie Zivilprozesse, betreute aber auch alle möglichen Arten von Geschäftstransaktionen, von Immobilienkäufen über Firmengründungen und Anstellungsverträge bis hin zum Einschlafen vor Langeweile.
» Was geht ab, alter Mann?«, rief Bradley John, der Dritte in unserem Team, der gerade das Büro mit einem Becher Starbucks in der Hand
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