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Der falsche Mörder

Der falsche Mörder

Titel: Der falsche Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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Sie soll die familiären Verbindungen bis aufs Äußerste ausreizen. Solle auf jeden Fall den Versuch unternehmen zu erreichen, dass die Entscheidung ausgesetzt wird.
    Andererseits glaube ich kaum, dass Sólveig an der Lage etwas ändern kann. Ich meine aus früherer Erfahrung mit Politikern zu wissen, dass diese Entscheidung an höchster Stelle getroffen wurde. Von einflussreichen Obermackern, die es sich zugute halten, andere erbarmungslos abzuschlachten. Sie betrachten es wahrscheinlich als dringende politische Notwendigkeit, Adalgrímur Sunndal so schnell wie möglich loszuwerden. Am besten noch, bevor der Fall im Parlament debattiert wird. Auf die Art können sie der Opposition umgehend den Wind aus den Segeln nehmen.
    Ein Telefonat ins Sekretariat des Althings bestätigt meinen Verdacht, dass der Zeitpunkt der Suspendierung ein eiskalter politischer Schachzug ist. Eine außerordentliche Debatte über die Belange des Obersten Gerichts war für den frühen Nachmittag anberaumt worden.
    Adalgrímurs fette Jahre als Richter am Obersten Gericht gehen zu Ende. Jedenfalls für eine Weile. Das ist glasklar.
    Irgendwann nach elf Uhr fällt mir ein, dass es das Beste wäre, die Debatte zu verfolgen.
    Also mache ich mich auf die Socken zum Austurvöllur.
    Quetsche mich hastig durch die wuchtige Doppeltür des Althings. Werfe dem älteren Türsteher ein reizendes Lächeln zu. Gebe ihm keine Gelegenheit, mich aufzuhalten.
    Stürme an der großen Pinselei von Präsident Jón und anderen toten Helden und Schurken des Selbstständigkeitskampfes vorbei, eine Treppe nach der anderen hoch und rein auf die enge Zuschauertribüne, wo schon viele andere Platz genommen haben. Bahne mir langsam, aber bestimmt einen Weg durch die Menschenmenge bis zur Balustrade. Schaue ins Plenum herunter.
    Die Debatte hat schon angefangen.
    Ein Abgeordneter der Opposition eröffnet die Diskussion mit dem ersten Beitrag zum Thema. Darin betont er ganz besonders, dass das Oberste Gericht jederzeit über den kleinsten Verdacht erhaben sein müsse, Machtmissbrauch zu verschleiern. Selbstverständlich sei es richtig und notwendig, die Menschenrechte einzelner Richter zu wahren, aber das dürfe nie auf Kosten des Gerichts als Institution gehen. Deshalb erteile er der Regierung einen Tadel dafür, dass sie bisher die unumgänglichen Konsequenzen nicht gezogen hätte, damit die Allgemeinheit der höchsten richterlichen Instanz des Landes weiterhin trauen könne. Wenn schon der Richter, der jetzt in Untersuchungshaft sitzt, nicht selber den Anstand hat, von seinem Amt zurückzutreten, solle die Regierung ihn von seinem Amt entheben.
    Der Abgeordnete hebt gegen Ende seiner Rede die Stimme. Guckt strafend die Minister an, die sich nebeneinander in den gemütlichen Sesseln der Macht räkeln.
    »Ich frage deshalb die geschätzte Justizministerin, warum ist das noch nicht geschehen?«, ereifert er sich mit schriller Stimme. »Welche unlauteren Interessen verfolgt die Ministerin mit ihrer unverständlichen Tatenlosigkeit?«
    Der Abgeordnete weiß ganz eindeutig noch nichts von der Suspendierung. Und legt deshalb seinen feisten Nacken auf die politische Guillotine. Schutzlos. Nackt.
    Und die Ministerin lässt nicht lange auf sich warten, um das Messer fallen zu lassen.
    Sie rügt den Abgeordneten dafür, diese menschliche Tragödie unnötigerweise ins Plenum des Althings zu ziehen. Selbstverständlich habe die Regierung genauestens den Gang dieses tragischen Falles verfolgt und zu jeder Zeit die notwendigen Konsequenzen gezogen. Deshalb wurde besagter Richter bereits des Amtes enthoben.
    Die Ministerin lächelt vor selbstzufriedener Genugtuung, die Opposition so gründlich gegen die Wand gespielt zu haben. Diese wiederum fühlt sich genötigt, die Suspendierung gutzuheißen, kritisiert aber zaghaft, dass die Entscheidung nicht früher verkündet wurde. Auf diese Weise fallen sich Herodes und Pilatus aus politischer Motivation wieder einmal in die Arme.
    Uff!
    Als die Diskussion zu einem anderen Thema übergeht, gehe ich schnurstracks zu meinem Silberpfeil und brause zur Kripo-Festung, um Adalgrímur zu treffen.
    Die Untersuchungshaft ist um Mitternacht zu Ende. Aber die Goldjungs haben schon beantragt, dass sie um einen ganzen Monat verlängert wird.
    Adalgrímur sieht schlecht aus. Er hat dunkle Ringe unter den geschwollenen Augen. Das Gesicht ist bleicher als sonst. Und müder.
    Ich berichte ihm zuerst von der Entscheidung der Justizministerin und der Debatte im

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