Der falsche Mörder
Parlament.
Das Ergebnis scheint ihn nicht zu überraschen.
»Um ehrlich zu sein, habe ich fast schon damit gerechnet, dass es so kommen würde«, sagt er und stapft mit schweren Schritten im Besprechungszimmer auf und ab.
»Es ist einerseits natürlich völlig ungerechtfertigt, weil ich unschuldig bin, aber andererseits verständlich, vom Blickwinkel der Regierung aus gesehen.«
»Ich dachte, du würdest die Fassung verlieren.«
»Zum Glück habe ich mich noch ganz gut im Griff«, antwortet er. »Mir fehlen die Worte zu beschreiben, wie schwer erträglich es ist, sein Lebenswerk zusammenbrechen zu sehen, aber es wird auch nicht besser, wenn man sich völlig vergisst. Ich habe ja auch einige Zeit gehabt, mich auf dieses Ereignis vorzubereiten.«
Schließlich gibt er sein Herumtigern auf. Setzt sich zu mir an den Tisch.
»Du musst natürlich als mein Vertreter förmlich gegen meine Suspendierung Einspruch erheben«, fährt er fort. »Ich behalte mir das Recht auf Schadensersatz vor, wenn dieser Albtraum vorbei ist.«
»Leider habe ich keine guten Nachrichten für dich«, sage ich nach längerem Schweigen. »Ich habe versucht, etwas über Sjöfn, Matti und diese ganze merkwürdige Bande herauszubekommen.«
»Was ist mit Sjöfn?«
»Hat sie ganz bestimmt nicht versucht, dich zu erpressen?«
Er schüttelt den Kopf.
»Hast du gewusst, dass sie andere Männer trifft?«
»Wir haben darüber nie gesprochen, aber wahrscheinlich wollte ich es auch nicht wissen.«
»War sie wirklich in dich verliebt?«
Er schaut auf.
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Ich versuche, ein Motiv für diesen Mord zu finden. Warum er begangen wurde. Da ist Sjöfn selber der Schlüssel.«
»Sie schien sehr zufrieden zu sein, verständnisvoll und warmherzig«, antwortet er nach längerer Überlegung.
»Aber wann weiß man wirklich, was der andere denkt?«
Adalgrímur stöhnt schwer.
»Ich weiß, dass Sólveig die Suspendierung sehr schlecht aufnehmen wird«, fügt er hinzu. »Du musst ihr sagen, dass ich trotz allem immer noch optimistisch bin, dass die Wahrheit ans Licht kommt.«
»Bist du das wirklich?«
»Ich muss optimistisch sein. Ich kann und will nicht glauben, dass isländische Gerichte einen Unschuldigen zu Gefängnishaft verurteilen.«
Ach nein?
Als wir am Nachmittag im Bezirksgericht erscheinen, erfahren wir, dass die Goldjungs einen neuen Trumpf in die Hand bekommen haben.
Der ausländische Videospezialist hat ihnen eine Erklärung seiner vorläufigen Untersuchungsergebnisse zukommen lassen. Die Essenz daraus ist, dass das Video an dem Tag aufgenommen wurde und zu der Zeit, die auf dem Filmmaterial eingeblendet ist.
Scheiße!
Die Goldjungs betrachten diese Aussage als endgültige Bestätigung dafür, dass Adalgrímur an Ort und Stelle war, als der Mord begangen wurde. Daran würde kein Zweifel mehr bestehen.
Ich fluche innerlich vor mich hin.
Hat mich Adalgrímur dann die ganze Zeit belogen?
Der Bezirksrichter scheint der Ansicht zu sein. Dieses Mal nimmt er sich keine Bedenkzeit. Verurteilt Adalgrímur ohne zu zögern zu vier Wochen Untersuchungshaft.
Vielleicht muss ich mich am Ende mit dem Ergebnis abfinden, dass Adalgrímur ein Lügner ist. Und dass er auch mich angelogen hat.
Denn was hat der einzig wahre Sherlock Holmes doch seinerzeit noch gesagt: Wenn du das Unmögliche ausgeschlossen hast, muss das, was übrig bleibt – wie unwahrscheinlich es auch immer ist – die Wahrheit sein.
Der ausländische Spezialist hat die Möglichkeit, dass das Überwachungsvideo eine alte Aufnahme von Sjöfn und Adalgrímur mit geändertem Datum ist, ein für alle Mal ausgeschlossen.
Das Video wurde also nur ein paar Minuten vor dem Mord gefilmt. Das ist eine unumgängliche Tatsache.
21. KAPITEL
D ieser verfluchte Máki!
Ich bin völlig damit beschäftigt, eine Begründung für den Einspruch beim Obersten Gericht zu formulieren, als ich den ersten Anruf bekomme. Und dann einen nach dem anderen.
Die Gesprächspartner lassen durchblicken, dass Máki einen Klatschartikel ins Netz gesetzt hat, in dem behauptet wird, dass Geirfinnur Einarsson irgendwo in den Staaten lebt. Ein Mann dieses Namens habe sich neulich mit der Botschaft in Washington in Verbindung gesetzt und ebenfalls mit einer Anwältin, die in der letzten Zeit viel in den Nachrichten war.
Die Quintessenz davon ist, dass jetzt alle Journalisten bei mir anrufen und die Neuigkeit bestätigt haben wollen.
Was für ein Idiot!
Ich schüre meine
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