Der falsche Mörder
wieder blicken lassen. Nach fast einer halben Stunde Herumhängen.
Einer von ihnen ist Isländer. Ein uninteressanter, winterbleicher Typ mittleren Alters Er setzt sich mir gegenüber an den Tisch. Stellt sich als Árni vor. Hat gerade erst den Mund aufgemacht, als ich schon auf ihn losgehe.
Aber nur mit Worten.
»Was zum Henker habe ich hier zu suchen?«
»Das solltest du doch wissen«, antwortet er.
»Nein.«
»Hast du wirklich gedacht, wir würden aufgeben?«
»Mit was?«
Árni grinst.
»Dein Job ist jetzt größtenteils erledigt, da wir ja diesen Mann gefasst haben«, sagt er hochmütig. »Wenn du uns jetzt freundlicherweise noch eine schriftliche Erklärung geben könntest, dass sich der Festgenommene in Gesprächen mit dir Geirfinnur Einarsson genannt hat.«
»Du hast sie ja nicht alle.«
»Eigentlich ist es uns ja egal, ob du das machst oder nicht«, fährt er fort. »Es würde aber das Auslieferungsverfahren beschleunigen.«
Unerträglicher Angeber.
»Gut zu wissen, dass ich eine Schadensersatzklage wegen meiner illegalen Verhaftung gegen die isländische Polizei führen muss, nicht gegen die amerikanische«, antworte ich.
»Du bist nicht festgenommen worden.«
»Nicht?«
»Nein«, antwortet er. »Soweit ich weiß, hilfst du uns bei dieser wichtigen Ermittlung aus freiem Willen.«
»Das sehe ich aber nicht so.«
»Wohl.«
»Dann steht mir wohl frei zu gehen? Jetzt sofort?«
Der Kerl ist beleidigt.
»Was ist mit der Erklärung, die ich eben erwähnt habe?«, fragt er unhöflich.
»Ich unterschreibe nichts. Außer einer Klage an euch.«
Árni steht auf. Tuschelt mit dem amerikanischen Goldjungen.
Guckt dann auf mich runter.
»Wir brauchen dich nicht mehr«, sagt er herablassend. »Du kannst also gehen, wenn du unbedingt willst.«
Ich nehme meinen Rucksack, der auf dem Boden liegt. Gehe zügig auf den Gang. Eile auf die Eingangstür zu.
Meine Schritte werden mit jedem Meter beschwingter.
Trotzdem grinse ich erst, als ich draußen im hellen Sonnenschein stehe.
Alles hat bisher nach Plan funktioniert.
Noch.
Ich werfe einen schnellen Blick auf die Uhr. Es ist bald sieben Uhr.
Scheiße!
Bis zum nächsten Date habe ich nur noch zwei Stunden Zeit! Aber es findet nur statt, wenn ich es rechtzeitig zu einem ganz anderen Ort in der Stadt schaffe. Ohne die Goldjungs im Rücken hängen zu haben.
Ich muss mich beeilen. Muss loslaufen, bevor die Goldjungs merken, dass sie den falschen Mann erwischt haben. Irgendeinen unschuldigen Kerl, der leider das Pech hatte, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
Zuerst nehme ich ein Taxi zum Hotel. Quetsche mich am Empfang in eine Telefonzelle. Bestelle mir ein Wassertaxi in zehn Minuten.
Flitze dann hoch ins Zimmer.
Ziehe mich in Windeseile aus.
Springe in meine schwarz-weißen Klamotten.
Weiße Bluse. Schwarze Hose, Jacke, Schuhe. Und setze mir wieder den breitkrempigen Hut auf.
Checke, ob mein Handy noch aufgeladen ist. Lege es auf den Nachttisch. Sause aus dem Zimmer. Hänge von außen das Verbotsschild an den Knauf: Do Not Disturb.
Sobald der Aufzug im Erdgeschoss anhält, eile ich durch die Hintertür aus dem Hotel. Da, wo die sanften Wellen des Flusses an der Uferpromenade lecken.
Das Wassertaxi wartet schon auf mich.
Der Steuermann fährt mich die Meerenge entlang. Richtung Norden.
Die Abenddämmerung leuchtet in allen Farben des Regenbogens. Das starke Licht der Straßenbeleuchtung, die erhellten Schaufenster und die unzähligen Reklameschilder nehmen es mit den dunklen Schatten der Nacht auf, die jetzt schnell hereinbricht.
An einer viel befahrenen Hauptstraße springe ich an Land. Halte schnell ein Taxi an. Um mich den letzten Abschnitt fahren zu lassen.
Ich werfe ab und zu einen Blick durch die Heckscheibe. Sehe unzählige Autos hinter uns. Aber kann nicht feststellen, ob mich eines davon verfolgt.
Der Fahrer bemerkt mein Verhalten. Fragt, ob ich irgendeinen Schwachkopf loswerden will.
» Maybe « , antworte ich.
»Okay«, sagt er und gibt anständig Gas. Überholt ein paar Autos mit hohem Tempo.
Plötzlich biegt er von der Hauptstraße ab. Fährt ein paar Nebenstraßen entlang. Mit halbwegs vorgeschriebener Geschwindigkeit.
Ich entdecke kein verdächtiges Auto hinter uns.
Wenn die Goldjungs versucht haben sollten, mich vom Hotel aus zu verfolgen, hat der Taxifahrer sie bestimmt abgehängt.
Bald fädelt er das Auto wieder auf der Hauptstraße ein. Und ist kurz vor neun am Ziel.
Ein wahrer Superfahrer.
Ich lobe ihn in
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