Der falsche Mörder
Telefonzelle an.
Perfekter Plan.
Auf dem Weg zurück zum Bahnhof überlege ich mir für einen Moment, ob ich nicht völlig übertreibe. Mich benehme, als hätte ich Verfolgungswahn.
Gibt es tatsächlich einen vernünftigen Grund anzunehmen, dass isländische und amerikanische Goldjungs mir hier unter der Sonne Floridas hinterherspionieren würden? Dass sie mein Handy per GPS ausfindig machen würden, um genau zu verfolgen, wo ich mich zu welcher Zeit befinde? Um den Typen festnehmen zu können, der behauptet, Geirfinnur Einarsson zu sein?
Idiotisch oder nicht. Ich darf die Goldjungs auf keinen Fall an den Knaben ranlassen. Jedenfalls nicht, bevor ich mich nicht selber eingehend mit ihm unterhalten habe.
Kurz darauf habe ich wieder meine Kleidung gewechselt. Habe den Rucksack wieder im Schließfach untergebracht. Und mein Handy in die Jackentasche gesteckt.
Ich muss spätestens um fünf bei der nächsten Station sein. Es handelt sich um eine private Gemeinschaftspraxis, die sich unter anderem darauf spezialisiert hat, DNA-Proben zu analysieren. Ich hatte noch von zu Hause aus einen Termin bei ihnen vereinbart. Am Abend, bevor ich in die USA flog.
Zuerst muss ich aber meinen Durst löschen. Deshalb gehe ich an einer kleinen Bar unter freiem Himmel am Ufer vorbei. Gönne mir einen Doppelten in der hellen Sonne.
Genieße den Geschmack. Und das Feuer.
Aber die Kunden sind uninteressant. Alle mit einer mehr oder weniger dreckigen Schirmmütze auf dem Kopf.
Schütten laues Dosenbier in sich hinein. Und reden endlos über Baseball. Uff!
Die Praxis befindet sich in einem weißen Gebäude.
Schon im Eingangsbereich stellt sich heraus, dass alle, die das Haus betreten, beobachtet werden.
Direkt hinter der Tür steht ein uniformierter Wachmann. Ein zweiter sitzt hinter der Glasscheibe bei der Anmeldung.
Und die Linsen von Überwachungskameras starren die Gäste aus allen Richtungen an.
Zehn bis fünfzehn Leute sitzen in einem geräumigen Wartezimmer. Die Kunden warten darauf, aufgerufen zu werden. Vor allem Frauen mit Kindern.
Aber es gibt dort auch ein paar wohl genährte Männer in Anzügen. Ich suche mir schnell ein Opfer aus.
Der Kerl hat ungefähr das richtige Alter. Ziemlich hager. Mit grauem, kurz geschnittenem Haar rund um seinen spärlich behaarten Hinterkopf. Hat helle Jeans und eine bläuliche Jacke an. Könnte gut einer von diesen Kerlen sein, die die letzten Jahre ihres Lebens damit verbringen, Golf im Sonnenstaat zu spielen.
Ich gehe lächelnd auf mein Opfer zu. Begrüße ihn mit Handschlag. Lange und herzlich. Tue so, als hätte ich Doktor Livingstone selber im amerikanischen Dschungel gefunden.
Er wundert sich. Aber ist trotzdem freundlich zu mir.
Wir sind in unser Gespräch vertieft, als zwei von diesen Sakkoträgern sich neben uns postieren. Sie packen die Arme des Mannes, ziehen seine Hände hinter den Rücken und lassen die Handschellen zuschnappen.
Wie im Kino.
Oh Mann!
Mist, wenn man immer Recht hat.
34. KAPITEL
D ie amerikanischen Goldjungs geben dem Kerl keine Erklärungen ab.
Der eine führt ihn in Handschellen aus dem Haus ab. In ein Auto, das direkt an der Tür wartet.
Der andere fängt eine Auseinandersetzung mit mir an. Bittet mich, ihn auf die Wache zu begleiten.
Ich zeige ihm meinen Pass. Sage, dass ich als legaler Tourist hier bin. Und außerdem auch noch Anwältin. Wäre bereit, jederzeit wen auch immer zu verklagen. Egal wann.
Ist ihm aber egal. Sagt, dass ich das alles genauer auf der Wache erklären könnte. Streitet aber ab, dass ich festgenommen bin. Aber natürlich könne er mir Handschellen anlegen, wenn ich gesteigertes Interesse daran hätte.
Gleichzeitig öffnet er den einen Sakkoaufschlag, um mir die imaginäre Verlängerung seines Schwanzes zu zeigen. Seinen Revolver. Scheißgehabe!
Die südlich-üppigen Gewächse bei Las Olas verlieren den meisten Charme, wenn man sie durch die dunklen Scheiben des Polizeiautos betrachtet.
Die amerikanischen Goldjungs, die mich im Auto begleiten, haben kein Interesse daran, meine Fragen zu beantworten.
» Later « , antworten sie jedes Mal, wenn ich versuche, mit ihnen zu sprechen. Später.
Auf der Wache parken sie mich in einem kleinen Zimmer mit vergittertem Fenster.
Weisen mich an zu warten.
Lassen einen Aufpasser bei mir zurück. Er ist uniformiert. Und trägt ebenfalls eine Waffe.
Ich sitze an einem billigen Tisch und langweile mich. Meine Wut hat schon fast den Siedepunkt erreicht, als die Goldjungs sich
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