Der falsche Mörder
Weile. Und wischt sich den Schweiß ab.
»Ich bin es nicht gewöhnt, so über mich selber zu sprechen«, sagt er entschuldigend nach einer solchen Pause.
»Ich habe es immer als unangenehm empfunden.«
»Aber das ist ja der Sinn des Spiels, nicht wahr?«
» Yes , right. «
»Wenn du die Wahrheit sagst, warum hast du dich dann einfach aus dem Staub gemacht?«
»Ich hatte einfach die Nase voll.«
»Warum?«
Er zögert einen Moment. Erzählt mir dann, warum er sein Leben in Keflavík so derartig leid war. Jeden Tag die gleiche Arbeit. Und am Wochenende auf Sauftour. Jede Woche wieder. Monat für Monat. Jahr für Jahr. Seine Ehe war auch nur noch ein Scherbenhaufen.
»Ich war zu dieser Zeit deep down « , sagt er, »und bekam da auf einmal eine surprise chance , in Amerika noch mal ganz von vorne anzufangen.«
Aber warum dann weggehen, ohne sich zu verabschieden?
Sein Gesicht ist wie ein Buch mit sieben Siegeln. Es ist hoffnungslos, aus seiner Miene zu lesen, was er denkt. Seine Augen geben auch nichts preis.
»Ein clean break ist immer am besten«, sagt er nach längerer Bedenkzeit.
Die leicht angebratene Ente auf meinem Teller wurde auf chinesische Weise zubereitet.
Sie schmeckt köstlich. Wunderbar scharf. Ich wusste, dass sie so sein würde.
Der Kerl hat keinen großen Appetit. Und trinkt wenig.
Trocknet sich umso öfter die Schweißperlen mit Papiertaschentüchern ab.
Er ist nicht gleichermaßen bereit, über sein Leben in Amerika zu berichten. Deutet an, dass er in den letzten Jahrzehnten kreuz und quer durch die USA gezogen ist, aber nie lange an einem Ort geblieben ist. Ein oder zwei Jahre, wenn es hochkommt.
»No problem , hier einen Job zu bekommen, wenn du mit großen Baumaschinen umgehen kannst«, sagt er.
»Aber hast du denn nirgendwo einen festen Wohnsitz?«
»Ich krieg mal hier ein Zimmer, mal da«, antwortet er.
»Frei wie ein Vogel, was?«
» Look, wenn du hier im Westen keinen nervst, nervt dich auch keiner. Fine für mich.«
»Wenn das Leben doch so prima ist, warum hast du mich dann angerufen?«
Er legt sein Besteck ab. Beugt sich über den Tisch.
» You see , das war echt weird « , antwortet er nachsinnend. »Ich bin da von diesem Doktor gekommen und habe so ein überwältigendes feeling gekriegt.«
»Was für ein Gefühl?«
»Ich hatte Heimweh nach Vopnafjördur.«
» Home, sweet home ? «
Er schüttelt den Kopf, als sei es ihm immer noch unverständlich.
Sagt, dass er noch nie ein solches Gefühl hatte.
Er hatte sogar noch nie die geringste Lust, nach Island zurückzukehren. Das sei ihm in diesen ganzen Jahren noch nie in den Sinn gekommen.
Erst jetzt.
Diese unerwartete Sehnsucht ließ ihn in den nächsten Tagen nach dem Todesurteil des Arztes nicht in Ruhe. Sie führte schließlich dazu, dass er in der Botschaft angerufen hat, um nach einem Pass zu fragen. Dort erfuhr er dann, dass er schon vor langer Zeit für tot erklärt worden war.
Er berichtet wirklich überzeugend. Mit unterdrückten Gefühlen unter der gelassenen Oberfläche. Als ob er über seine eigene Erfahrung sprechen würde.
Aber ich will mehr. Beweise.
»Jetzt bin ich sure, wie crazy diese Idee war«, sagt er.
»Jetzt musst du das Spiel aber noch bis zum Ende durchziehen.«
Er nippt an seinem Wein. Hat seine Miene völlig im Griff. Wie jemand, der jahrzehntelange Übung darin hat, seine Gefühle und Gedanken vor anderen zu verbergen.
»Ich höre auf«, sagt er. » Sorry. «
»Womit hörst du auf?«
»Ich höre auf damit, weiter zu versuchen, nach Island zu fahren, das ist doch just crazy , yes ? «
Teufel noch mal!
»Was ist mit meinen ganzen Umständen und Kosten?«, frage ich sauer.
Er fährt mit der einen Hand in die Innentasche seiner Jacke. Zieht einen weißen Umschlag heraus. Gibt ihn mir.
»Reicht das?«
Im Umschlag ist ein ansehnlicher Stapel mit Hundert-Dollar-Scheinen.
Ich zähle die Scheine auf die Schnelle. Ohne sie aus dem Umschlag zu nehmen.
Es sind vierzig. Viertausend Dollar.
»Ja, das sollte hinkommen«, antworte ich und stecke das Geld in die Tasche. »Ich werde dir eine Rechnung schreiben.«
»No, no, wozu denn? Ich habe für so was eh keine Verwendung.«
»Du musst mir auch davon erzählen, wo und wie du Adalgrímur Sunndal hier in Amerika getroffen hast.«
» Right, das war der Name von Alli. Kennst du ihn?«
Ich lasse ein Lächeln als Antwort genügen.
»Es war neunzig, maybe auch ein Jahr früher, weiß es nicht mehr genau«, fährt er fort. »Es war hier
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