Der falsche Mörder
Angst, dass die Presse Wind von der Sache bekommt. Bieten mir eine Besprechung an, wenn ich die Forderung zurückziehe.
»Erst die Besprechung«, antworte ich Raggi. »Wenn ich zufrieden stellende Antworten bekomme, werde ich die Klage zurückziehen.«
Er protestiert. Versucht, mich dazu zu kriegen, den Fall sofort abzubremsen.
Aber gibt dann nach.
Raggi bringt Dagfinnur zur Besprechung mit. Den jungen Steigbügelhalter, der ihn vor über einer Woche mit zu mir nach Hause begleitet hat.
»Mir wurde aufgetragen, dir zu berichten, was sich im Fall getan hat, seit Marteinn am Samstag in seinem Ferienhaus am Hafravatn tot aufgefunden wurde«, sagt Raggi und öffnet eine Mappe, die auf dem Tisch liegt. »Wir haben das Haus am Wochenende gründlich durchsucht, aber das Einzige, was wir gefunden haben und was möglicherweise mit dem Mord am Obersten Gericht zu tun hat, ist dieses Messer.«
Er reicht mir ein Foto über den Tisch.
Das Messer ist ungefähr fünfzehn Zentimeter lang. Mit einem schwarzen Griff.
»Wo genau wurde es gefunden?«
»Auf dem Boden einer Gefriertruhe, unter einigen Tüten und Paketen mit tiefgefrorenen Lebensmitteln verschiedenster Art.«
»Wurde das Messer dort nach eurer ersten Durchsuchung bei Matti versteckt?«
»Diese Suche bezog sich nur auf den Keller.«
»Dann hätte das Messer schon die ganze Zeit in der Gefriertruhe sein können?«
Raggi verzieht das Gesicht. Zuckt mit den Schultern. Fährt dann fort: »Auf dem Messer wurden Blutspuren gefunden, und bei einer genaueren Untersuchung stellte sich heraus, dass es sich dabei um menschliches Blut der Blutgruppe B handelt.«
»Sjöfn hatte B«, falle ich ihm ins Wort.
»Ja«, antwortet Raggi, »aber Marteinn hatte 0.«
Ich wäge im Geiste schnell die Möglichkeiten ab. Nur jeder zehnte Isländer gehört zur Blutgruppe B. Ungefähr jedenfalls. Die Mehrheit gehört aber zur 0-Gruppe, wie Matti.
Das kann ja kaum ein Zufall sein.
»Wir haben Blutproben vom Messer und von Sjöfn zur DNA-Analyse geschickt«, sagt Raggi, »aber die Ergebnisse liegen noch nicht vor.«
»Wo kam die Tatwaffe her?«
»Wir können im Moment noch nicht bestätigen, dass das Messer tatsächlich die Tatwaffe ist, obwohl es sehr wahrscheinlich ist, aber es scheint zu einem Set von verschieden langen Messern zu gehören, die bei der Durchsuchung in der Küche gefunden wurden. Wir haben daraus geschlossen, dass das Messer zu Marteinns Besitz gehört.«
»Gibt es Fingerabdrücke?«
»Es wurden keine Fingerabdrücke auf dem Messer gefunden.«
»Überhaupt keine?«
Raggi schüttelt den Kopf.
»Ist in dem Ferienhaus etwas anderes gefunden worden, das wichtig ist?«
»Nein.«
»Und bei der Selbstständigen Theatergemeinschaft?«
»Wir haben noch nichts Aufschlussreiches gefunden.«
»Nichts? Was ist denn mit all den Sachen, die ihr von dort mitgenommen habt?«
»Die Arbeit, das alles auszuwerten, hat gerade erst angefangen.«
Klingt wahrscheinlich.
»Habt ihr schon den Computer durchsucht?«
»Was für einen Computer?«
»Mattis Laptop?«
Raggi guckt schnell Dagfinnur an, der den Kopf schüttelt. Schaut dann wieder über den Tisch zu mir.
»Wir haben keinen Laptop konfisziert«, sagt er.
»Aber wo ist er dann?«
»Bist du sicher, dass Marteinn einen Laptop hatte?«
»Natürlich«, antworte ich. »Ich habe ihn ja selber mit dem Laptop im Theater gesehen. Und dann hat er mir in der letzten Woche noch eine E-Mail geschickt.«
»Was sagst du? Kannst du sie mir zeigen?«
»Ich leite sie dir nachher weiter.«
»Im Ferienhaus wurde kein Laptop gefunden«, sagt Raggi und guckt wieder seinen Steigbügelhalter an, »und soweit ich weiß, gilt das Gleiche für das Theater, oder?«
»Wir haben keinen Laptop gefunden«, antwortet Dagfinnur. »Aber wir werden der Sache natürlich nachgehen.«
»Und dann sagt ihr mir Bescheid, wenn ihr ihn findet?«
»Wenn da etwas drauf ist, was deinen Klienten betrifft«, antwortet Raggi.
»Was ist mit diesem erlogenen Alibi von Matti? Habt ihr Dísa noch einmal verhört?«
»Nicht zu diesem Detail, nein.«
»Wann werdet ihr das tun?«
»Wir werden diese Sache bald in Angriff nehmen«, antwortet Raggi. »Wir können ja nicht alles auf einmal tun.«
In Ordnung.
»Der andere Fall. Die Vergewaltigung auf dem Video. Was ist passiert?«
»Marteinn hat uns nie die Namen der Schauspieler gegeben«, antwortet Raggi, »und das war unter anderem auch ein Grund, weshalb wir eine Hausdurchsuchung bei ihm vorgenommen
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