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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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eine für die Taille; sie muss das Hauptgewicht tragen. Dann musst du dich noch mit den Füßen an der Trosse festklammern …
    »Das wird ein langer Flug«, presst der Magier heraus. »Ehrlich gesagt tut es mir fast leid, dass ich diesen Vorschlag gemacht …«
    »Nein, nein, wir müssen es probieren!«, fällt ihm Bastard ins Wort. »Wenn wir weiter über das Gerüst runterkraxeln würden, würde bestimmt einer von uns abstürzen!«
    »Ich werde sehen, ob es gelingt, heil unten anzukommen«, sagt Crazy.
    »Wie kriegen wir mit, dass bei dir alles glattgegangen ist?« Dschingis stellt wie immer die entscheidende Frage, allerdings erst im letzten Moment.
    »Ich schreie.«
    »Hören wir das auch?«
    »Hier gibt es ja ein Echo. Und ich werde laut schreien«, verspricht Crazy. Dabei meidet er jeden Blick nach unten.
    »Du verlässt die Tiefe aber?«, versichere ich mich noch einmal.
    »Nein, ich hab’s mir anders überlegt. Dann würde ich vielleicht irgendwas nicht mitkriegen. Bis gleich …«
    Er lässt die Röhren los, sodass er am Seil hängt. Die beiden Schlaufen scheinen zu halten …
    Sobald Crazy der Schlaufe an den Händen mehr Spielraum gibt, rutscht er nach unten. Seine Figur wird kleiner und kleiner. Die Abfahrt klappt – allerdings mit einem wahnwitzigen Tempo.
    »Das packe ich nicht!«, gibt Pat ehrlich zu. »Dsching, das schaff ich nicht!«
    Der Junge ist kurz davor, in Panik zu geraten.
    »Wir machen das zusammen«, sagt Nike da zu unser aller Überraschung. »Vertraust du mir?«
    Als Pat ihr amüsiertes Lächeln sieht, ist es um ihn geschehen.
    »Na, was ist?«
    »Wenn Dsching das erlaubt …«
    »Traust du dir das wirklich zu?«, fragt Dschingis. »Immerhin haben wir einen Diver unter uns …«
    »Es wäre für mich schwieriger, den Magier huckepack zu nehmen. «
    »Was sagst du dazu?«, wendet sich Dschingis an mich.
    Ich denke nach. Mir kommen da ein paar Ahnungen – und die gefallen mir nicht.
    »Sie schafft das schon«, treffe ich schließlich eine Entscheidung. »Wahrscheinlich genauso gut wie ich, würde ich vermuten. «
    »Wenn nur Crazy schon angekommen wäre«, bringt Maniac heraus.
    Wir warten.
    »Hören wir es, wenn er abstürzt?«, will Pat wissen und fängt sich für die Frage eine ziemlich kräftige Ohrfeige von Bastard ein.
    »Ich schmeiß dich hier gleich eigenhändig runter, nur um zu hören, wie das klingt!«
    Von unten hören wir ein leises, undeutliches Geräusch.
    »Was hat das nun schon wieder zu bedeuten?«, fragt Maniac.
    Das Geräusch wiederholt sich.
    »Also Crazy wird doch nicht in zwei Schüben abgestürzt sein! Noch dazu in diesem Abstand!«, erklärt der Magier. »Nun? Was ist? Wagen wir’s?«
    »Halt dich fest!«, verlange ich.
    Da wir keinen Riemen übrig haben, muss sich der Magier an mir festklammern.
    »Aber erwürg mich nicht!«, sage ich. »Obwohl … halt dich einfach irgendwo fest!«
    Tiefe, Tiefe, ich bin nicht dein …
    Heute Abend war mir ein Migräneanfall sicher.
    Ich sah auf meine gezeichneten Hände, die eine gezeichnete Schlaufe gepackt hielten. In den Kopfhörern schnaufte der Magier.
    Es ging los.
    »Oho!«, schrie Zuko – weniger verängstigt als vielmehr begeistert.
    Er war zu beneiden. Ich empfand keine Angst, gut. Aber auch keine echte Begeisterung.
    Die Wand und das Gerüst aus Stahlröhren rasten an uns vorbei. Ich senkte den Kopf, sah nach unten und fing an zu bremsen. Der Boden schoss förmlich auf uns zu.
    »Wir werden doch nicht zerschellen?« Anscheinend wurde dem Magier jetzt doch etwas mulmig.
    Ich zog die Schlaufe an meinen Händen enger zusammen.
    Das kostete mich nicht die geringste Mühe! Nur in der Tiefe sind Abenteuer derart aufregend – und ungefährlich zugleich. Jeder Bergsteiger würde bei der Beschreibung eines solchen Abstiegs mit einer derart improvisierten Ausrüstung entweder vor lauter Nervosität in Schweiß gebadet sein oder wie ein Wahnsinniger zu lachen anfangen – weil es dergleichen schlicht und ergreifend nicht geben kann.
    Ich hingegen drosselte mühelos die Geschwindigkeit, die Schlaufen hielten, und Zuko flog nicht in hohem Bogen davon, weil er die Hände, die ihm vor Angst flatterten, vom Seil gelöst hatte. Hier ging es um das pure Vergnügen, um Fun! Und selbst wenn
Zuko kein Diver war, wusste er doch, dass in Deeptown niemand stirbt. Zumindest bislang nicht.
    Genau deshalb waren wir ja auch hier: damit sich daran nichts änderte.
    Deep.
    Enter.
    Wahrscheinlich sollte ich besser keine Experimente wagen,

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