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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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noch zehn Sekunden, bis wir erkennen, dass es Nike und Pat sind.
    »Ich hätte auch jemanden mitnehmen sollen«, murmelt Crazy. »Immerhin bin ich ein Diver …«
    »Du hast den Weg ausgekundschaftet«, beruhige ich ihn.
    Der Magier späht nachdenklich nach oben. Dann holt er aus seiner Tasche ein Sandwich und zerreißt die Klarsichtfolie.
    »Bist du verletzt?«, frage ich ihn.
    »Nein, ich will nur was futtern.«
    »Das sind fünf Prozent Lebenskraft!« Ich strecke die Hand aus und nehme ihm das Sandwich weg. »Die habe ich mir mit der Bremserei ja wohl verdient, oder?!«
    »Das hast du!«, bestätigt der Magier. »Puh, die haben aber ein Tempo drauf!«
    »Ihr wart genauso schnell«, bemerkt Crazy. »Noch ist alles im grünen Bereich. Hauptsache, Nike schafft es zu bremsen …«
    Schon nach einer Minute landet Nike, sogar besser als ich. Sie hat die Geschwindigkeit fast ganz drosseln können und fällt nicht mal hin. Es dauert fünf Sekunden, um Pat von ihr loszueisen – der einfach zu benommen ist, um zu begreifen, dass er das Ganze überstanden hat.
    »Alle Achtung!«, lobt Crazy Nike. »Das hast du gut gemacht, Mädchen!«
    »Na«, sagt Nike grinsend, »eigne ich mich für die Arbeit im Labyrinth?«
    »Ich würde dich auf der Stelle nehmen«, versichert Crazy. »Und zwar gar nicht erst als Sergeantin, die die Newbies durch die ersten Levels begleitet, sondern gleich als getarnte Spielerin, die in einer Gruppe mit gutem Beispiel vorangeht.«
    »Von wegen!«, macht der Magier Nikes Traum zunichte. »Uns lässt doch nach dieser Aktion niemand mehr auch nur in die Nähe des Labyrinths!«
    Crazy hüstelt, als wollte er etwas sagen, überlegt es sich dann aber anders.
    »Ha!«, bringt Pat plötzlich leise heraus. »Das war eine sagenhafte Abfahrt, oder?«
    »Einmalig«, bestätigt der Magier.
    Pat geht zu Nike und schmatzt ihr einen ungeschickten Kuss auf die Wange, wobei ihn seine Courage ganz klar in Panik versetzt. Nike lächelt, verwuschelt ihm das Haar und gibt ihm einen Kuss zurück.
    »Die Jugend heutzutage! Da stören wir Alten nur noch«, säuselt Zuko. »Gut, dann lasst jetzt uns schreien, und zwar alle zusammen! «
    Wir brüllen los, um die geglückte Landung zu verkünden. Fünfmal hintereinander. Pat strahlt.
    Als Sechster kommt Bastard. Er gleitet sehr langsam und akkurat nach unten. Doch als er das Seil loslässt, zittert er am ganzen Leib. Auf die begeisterten Schreie und Umarmungen Pats reagiert er überhaupt nicht.
    Der Siebte ist Maniac. Er saust fast so schnell nach unten wie Nike und ich, allerdings nicht, weil er keine Angst hat, sondern weil er einfach nicht zu bremsen vermag. Wir helfen ihm aus der Schlaufe um seine Taille und sehen uns bedeutungsvoll an. Mich beschleicht ein ungutes Vorgefühl …
    »Wenn Dschingis das mal bloß hinkriegt«, sagt Crazy unvermittelt.
    »Mal den Teufel nicht an die Wand!«, fährt Bastard ihn sofort an. »Pass auf, Dsching kommt gleich frisch und fröhlich angesaust, da gehe ich jede Wette ein.«
    Natürlich widerspricht ihm niemand.
    Allerdings stelle ich mir vor, wie Dschingis da oben steht und unsere Schreie aus der Tiefe hört. Wie er das Stahlseil vor sich sieht, das straff wie eine Saite gespannt zu sein scheint. Die wenigen Lampen, die von den Architekten zur Dekoration im Innern dieses Gebäudes angebracht worden sind, spenden ein nur spärliches Licht …
    Und niemand ist bei ihm.
    Er greift nach der Trosse, befestigt die Bremsschlaufe, schnallt sich mit dem Riemen um der Taille fest, umklammert das Seil mit den Beinen, gleitet dabei aber bereits in die Tiefe, gewinnt immer mehr an Fahrt, kann den Fall kaum noch kontrollieren …
    Scheiße! Ich hasse schlimme Vorahnungen! Denn manchmal treffen sie zu!
    »Das ist doch alles nur Show hier!«, bringt Pat heraus, wenn auch sehr unsicher. »Selbst wenn Dschingis das nicht schafft … dann erledigen wir den Imperator eben ohne ihn … und er platzt vor Neid …«
    Er kichert sogar, aber so verlegen, dass ihm niemand seine Munterkeit abkauft.
    »Da kommt er«, sagt Bastard. Er schirmt die Augen mit der Hand ab, als gebe es in diesem Betonkasten Sonne, die ihn blenden würde, und lugt nach oben. »Sieht ganz gut aus … würde ich sagen … etwas schneller als Schurka …«
    Ich schweige. Warum soll ich ihn darauf hinweisen, dass schon Maniac zu viel Tempo drauf hatte und vermutlich zehn Prozent Lebenskraft beim Aufprall verloren hat?
    »Dsching!«, schreit Pat fröhlich. »Komm schon! Schlaf nicht

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