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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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in der Realität umbringen kann. Die ich für Dibenkos größtes Geheimnis gehalten habe. Obwohl sie kaum mehr als eine Wasserpistole zu sein scheint, in diesem großen, echten Spiel – von dem ich nicht die geringste Ahnung habe!
    Scheiße aber auch! Wenn Ilja bloß endlich in die Tiefe käme!
    Ich hole den Pager raus und blicke finster auf die Lämpchen. Da leuchtet ein weiteres auf, fast als wäre es unter meinem Blick zum Leben erwacht. Irgendwo in der realen Welt sitzt Ilja am Rechner, während vor ihm ein Regenbogen explodiert, der die Welt in ein Märchen verwandelt …
    Ich bringe die Geduld auf zu warten, bis er in der Tiefe angekommen ist – Gott weiß wo – und die eingegangene SMS liest.
    Prompt empfange ich seine Antwort: Ich komme.
    Wenn Dibenko wirklich Zugriff auf meinen Pager hat, ob er dann durch diese SMS versteht, wo die Daten eigentlich gerade sind?
    Aber was würde es ihm nutzen, sich Ilja zu schnappen? Nichts. Der Junge hat den Brief ja nicht mal bei sich. Der liegt im Büro der Firma. Und in die kann selbst Dibenko mit seinen Möglichkeiten nicht einsteigen.
    Vielleicht könnte der Superman von Dark Diver hier im Tempel einen Hack landen. Aber er muss die dechiffrierten Daten in die Finger kriegen, nicht die verschlüsselten.
    Ich überschlage, wie lange Ilja zum Tempel unterwegs ist. Das hängt in erster Linie von den Kapazitäten seines Rechners ab. Wenn er von einer Soundkarte für hundert Dollar träumt, dürfte seine Kiste nicht sehr schnell sein. Wahrscheinlich hat er nur einen museumsreifen Pentium II. Oder sogar nur einen Pentium. Mit völlig ausgelasteter Festplatte. In den Staaten und in Japan müssen Minderjährige mindestens einen Pentium II mit einem Prozessor mit 400 MHz und einem Arbeitsspeicher von 128 MB haben, um in die Tiefe zu gehen. Aber wir sind nicht die Staaten, bei uns ist alles möglich.
    Ich sollte wohl von zehn Minuten bei einer guten Verbindung ausgehen. So lange braucht ein Rechner wohl, um das vollständige Bild eines Ortes zu erstellen, an dem Ilja nie zuvor war. Das bedeutete eine gemütliche Fahrt im Taxi oder eine nette kleine Fahrradtour.
    Jetzt nehme ich zu Maniac Kontakt auf, per Telefon, nicht per SMS. Er geht sofort ran, muss also mit dem Pager in der Hand auf meinen Anruf gewartet haben.
    »Du Schuft!«
    Übel nehmen kann ich ihm das nicht. Während ich mir den Tempel angesehen und mit Dibenko gesprochen habe, sind die
anderen vor Neugier fast geplatzt. Außerdem haben sie sich wahrscheinlich Sorgen um mich gemacht.
    »Ich hatte überraschend Besuch«, erkläre ich. »Kommt her!«
    Ich schicke ihm die Adresse.
    »Irgendwann werde ich dich auch eine halbe Stunde lang einer solchen Qual aussetzen!«, droht mir Maniac und legt auf.
    Recht hat er ja …
    Aber wie hätten wir denn auch ahnen sollen, dass Dibenko hier aufläuft?
    Dass er mich beobachtet und den Moment abpasst, da ich den Tempel betrete?
    Ich fange an, auf und ab zu tigern. Wenn bloß die anderen schon hier wären! Wenn bloß Ilja endlich die Daten abliefern würde!
    Was enthalten sie – wenn Dibenko sich fast sicher ist, dass ich zu ihm überlaufe, sobald ich ihren Inhalt kenne?
    Was kann wichtiger sein als ein möglicher Tod der virtuellen Welt?
    Es gibt nichts Beschisseneres als zu warten – und dabei nicht das Geringste tun zu können.

111
    Zwei Taxis fahren vor. Aus dem ersten steigen Bastard, Dschingis und Pat, aus dem zweiten Maniac und der Magier.
    Ich stehe mit gesenktem Kopf vor dem Turm. Jetzt würde ich was zu hören kriegen …
    »Ljonka!«, schreit Pat und hüpft auf der Stelle herum. »Wir haben es geschafft!«
    Dschingis und Bastard wirken ebenfalls nicht so, als seien sie sauer auf mich. Der Magier steht da und mustert den Turm mit der skeptischen Miene eines Bauherrn, der ein eben fertiggestelltes Objekt abnimmt.
    Nur Maniac blickt finster drein und droht mir mit der Faust. Okay, soll er.
    Die Taxis fahren wieder ab. Die computergenerierten Fahrer zeigen nicht das geringste Interesse für diesen Turm mitten im Wald. Aber was soll er ihnen auch schon bedeuten?
    Ich lasse meine Freunde hinein, wobei ich jedem von ihnen auf die Schultern klopfe und meinen Arm dann beiläufig auf ihnen ruhen lasse, bis sie ihm Tempel sind. Bastard versteht offensichtlich, was es damit auf sich hat. Und Maniac auch. Die anderen achten jedoch nicht weiter darauf.
    »Das ist also der Tempel?«, fragt Dschingis leicht enttäuscht, als er drinnen ist. »Ziemlich ärmlich …«
    »Was ist da

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