Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)
nicht, wer er ist«, beteuert Dibenko noch einmal. »Aber seit geraumer Zeit habe ich Angst, in die Tiefe zu gehen. Sicher, ich habe den Orden der Allmächtigkeit … und inzwischen auch eine Waffe, die tötet – aber die hat der Dark Diver auch. Schon seit einer ganzen Weile. Deshalb rechne ich jederzeit damit, dass mir jemand eine Kugel zwischen die Rippen jagt … mit einer Explosion voll von blendendem Licht, ich rechne mit Schmerzen und damit, dass mein Herz aussetzt.«
»Ich bin auch nicht begeistert von dem, was er tut«, gestehe ich. »Er hat meinen Freund angeheuert, um in deine Firma einzusteigen. Damit er die Drecksarbeit für ihn erledigt. Du behauptest, deine Security-Leute hätten eigentlich keine Waffe der dritten Generation. Aber das ist völlig egal. Der Dark Diver hätte Romka trotzdem nie in diese Geschichte verstricken dürfen.«
»Damit bleibt dir nur ein Ziel für deine Rache«, hält Dibenko fest. »Oder nicht?«
»Und? Bist du jetzt zufrieden?«
»Natürlich. Ich habe dir doch gesagt, dass ich als Freund gekommen bin. Du hast doch das Gerücht in Umlauf gebracht, ich hätte dich angeheuert …«
Dibenko kramt in den Taschen seines Mantels – und holt eine Pistole heraus.
Licht flammt auf. Eine Säule aus grellem Licht schießt von der Decke und kesselt Dibenko ein. Seine Silhouette wird ganz grau und verblasst. Seine Bewegungen verlangsamen sich, werden träge …
Dibenko hält die Pistole am Lauf gepackt und streckt sie mir sehr ungeschickt entgegen, schließlich lässt er sie zwischen uns auf den Boden fallen.
Sofort erlischt das Licht.
Was auch immer das Verteidigungsprogramm geplant haben mag, es hat sich abgeschaltet, kaum dass Dibenko die Waffe nicht mehr in der Hand hielt.
»Nimm die!«
Offenbar hat er nicht mal bemerkt, welche Gefahr ihm gedroht hat.
»Was ist das?«, will ich wissen.
»Der Prototyp einer Waffe der dritten Generation. Mit der wurde dein Freund ermordet … falls das eine Rolle spielt.«
Ich betrachte die Pistole. Sie sieht wie eine ganz gewöhnliche Smith & Wesson aus.
Gut, aber entscheidend ist ja, was in dem Ding steckt …
»Womit ist sie geladen?«, erkundige ich mich.
»Die ersten fünf Patronen sind die Lähmungsprogramme, die die Polizei von Deeptown in Auftrag gegeben hat«, antwortet Dibenko. »Sie bewirken eine Lähmung von fünfzehn bis zwanzig Minuten, die ohne Folgen wieder abklingt. Die nächsten fünf … Bei denen handelt es sich um besagte Neuentwicklung, die wohl nicht in Serie gehen wird. Die Wahrscheinlichkeit eines letalen
Ausgangs ist zu hoch. Sie lösen zwar auch nur eine temporäre Lähmung aus … die allerdings auch den Herzmuskel betrifft.«
»Und du bist bereit, mir diese Waffe zu überlassen?«
»Wollen wir einen kleinen Vertrag aufsetzen? In dem du dich verpflichtest, eine neue Software zu testen. Bislang gibt es leider noch keine Gesetze, die vergleichbare gefährliche Produkte verbieten. Deshalb hoffe ich auf deine Besonnenheit, Diver.«
Ich hebe die Pistole auf und sehe Dibenko an. Wenn ich jetzt auch von einem Lichtkreis eingekesselt werden würde, dann würde Dibenko vielleicht verwundert sein. Zumindest würde er doch wohl zusammenzucken.
Aber anscheinend ist mir im Tempel alles erlaubt.
»Was soll ich damit, Dmitri?«, frage ich, und ohne eine Antwort abzuwarten, füge ich hinzu: »Gut, ich glaube dir. Und Deeptown tut mir leid. Mir wird angst und bange bei dem Gedanken, was hier losbricht, wenn eine solche Waffe in Umlauf kommt … Aber ich kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Und ich will keine Rache üben. Ich werde nicht einem jungen Dummkopf hinterherjagen, der einmal Räuber und Gendarm gespielt hat. Ich habe nicht einmal vor, dich zu erschießen … und sei es nur deswegen nicht, weil du die Tiefe geschaffen hast. Nein, Dibenko, all das ist doch eine Farce. Es hat als Tragödie angefangen und endet jetzt als Farce. Ich habe diesen Tempel betreten … habe diese verdammte Waffe bekommen … und wozu? Ich hätte mir all das sparen können. Obwohl – nein, das stimmt nicht. Du weißt, dass ich neue Freunde gefunden habe. Und das bedeutet mir sehr viel. Wenn nur Romka nicht dafür hätte bezahlen müssen …«
Die Nebelmaske, die das Gesicht Dibenkos ist, richtet sich auf mich. »Dann wirst du also die gestohlenen Daten vernichten?«, fragt Dibenko.
»Nein. Hier im Tempel sind sie sicher, das kannst du mir glauben. «
»Das verstehe ich nicht«, erwidert Dibenko leicht erstaunt. »Wirklich, das
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