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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Ansicht nach ist er jedoch auf dem richtigen Weg.«
    Interessant, faszinierend, vielversprechend und aussichtsreich. Die professionelle Ethik verlangt nach nüchternen und fundierten Aussagen.
    »Warum wolltest du eigentlich nicht am Kongress teilnehmen, Viktoria? Du hast doch eine Einladung gekriegt, oder?«
    »Ich beschäftige mich nicht mehr mit diesem Thema, Andrjuscha, das weißt du doch. Wie ist dein Vortrag angekommen? «
    »Das musst du das Publikum fragen.«
    Als die beiden ins Wohnzimmer kamen, gab ich die unsinnige Abreiberei auf und ging mit der Vase ins Bad.
    »Worüber hast du gesprochen?«
    Vika konnte noch so beiläufig fragen – mir entging nicht, wie erpicht sie auf jede Information war. Und wahrscheinlich fiel auch Andrej nicht auf ihren Ton herein.
    » Neomythologie am Beispiel der Diver-Legenden in der Subkultur des virtuellen Raums. Zu diesem Phänomen liegen zwar bereits Arbeiten vor, sie sind jedoch leider viel zu unkritisch.«
    Ich blieb wie angewurzelt stehen, stürzte dann aber weiter, zog die Badezimmertür hinter mir zu, stellte das Wasser an und füllte die Vase. Es klirrte, als ich mit der Kristallvase gegen den Wannenrand stieß, die Vase überstand die Kollision zum Glück jedoch.
    Was sollte das denn heißen? Diver-Legenden?
    Nachdem ich das trübe Wasser ausgeschüttet hatte, ließ ich die Vase ein zweites Mal volllaufen. Dann schoss ich zurück ins Wohnzimmer. Doch selbst wenn ich es mit wehenden Fahnen erstürmt hätte, hätten Andrej und Vika mich wohl nicht bemerkt, da sie zu vertieft in ihr Gespräch waren.
    »Und diesen Zweifel konntest du jetzt ausräumen?«
    »Fürs Erste ja.« Nedossilow saß bereits auf dem Sofa, zappelte aber noch herum und suchte nach der richtigen Position. Mit Menschen wurde er sofort warm, mit einem Raum nicht. Es gibt ja Leute, die können ein fremdes Haus betreten und werden sofort ein Teil davon. Sei es nun eine hypermoderne und teure
Wohnung, sei es ein zugemülltes Zimmer in einer Gemeinschaftswohnung. Andrej gehörte nicht zu ihnen. Wahrscheinlich bildete einzig und allein sein eigenes Zuhause eine adäquate Umgebung für ihn. »Ich habe das ganze Material, das es über diese sogenannten Diver gibt, zusammengetragen …«
    Ich befreite die Rose aus dem Zellophan und setzte sie in die Vase. Vika bedachte mich mit einem warnenden Blick, als sie mir die Vase abnahm. »Was soll das denn, Ljonka?«, fragte sie entsetzt. »Das Wasser ist ja kochend heiß.«
    Sie schwirrte aus dem Zimmer und riss dabei die unglückliche Blume aus dem Wasser.
    Ich setzte mich neben Andrej. Schweigend schraubte ich eine Flasche Wodka auf und sah unseren Gast fragend an.
    »Wenn du erlaubst …« Nedossilow öffnete den Likör, den er in weiser Voraussicht mitgebracht hatte, etwas Irisches, Cremiges. Er goss sich ein Gläschen der sämigen weißen Flüssigkeit ein. »Was willst du, Viktoria?«
    »Da wir nur Wodka haben«, antworte Vika, die gerade wieder hereinkam, »nehme ich auch Likör.«
    Scheiße. Ich hatte vergessen, ihr Wein oder Bier mitzubringen.
    »Es gab nichts Ordentliches«, murmelte ich.
    »Schon gut«, erwiderte Vika und stellte die Vase auf den Tisch. »Andrej hat ja für mich gesorgt …«
    »Auf eure Wohnung«, toastete Nedossilow, nachdem er sich etwas Kartoffelsalat aufgetan hatte. »Darauf, dass ich es endlich geschafft habe, euch zu besuchen.«
    Wir stießen an. Ich trank den nicht gerade eiskalten, aber dennoch akzeptablen Wodka und versuchte, die nächsten Toasts zu prognostizieren.
    Auf die Hausherrin. Auf den Hausherrn. Auf den Gast und seine wissenschaftlichen Erfolge. Auf das Land und das Volk …
nein, erst auf die Gesundheit aller Anwesenden, dann auf das Land und das Volk. Danach auf unseren Gegenbesuch.
    Bei dieser Prognose hatte ich allerdings die Rechnung ohne Andrej gemacht. Selbst vom Likör trank er den ganzen Abend über nur drei, vier Gläschen. Deshalb kamen das Land und das Volk noch einmal davon.
    »Was macht eure Arbeit?«, erkundigte sich Nedossilow, der nach dem Likör etwas Salat aß.
    Die Frage galt uns beiden.
    Vika und ich sahen uns an.
    »Ich kann nicht klagen«, antworte Vika. »Ich untersuche die Entwicklung der räumlichen und bildlichen Vorstellung bei Grundschülern, aber das habe ich dir ja schon geschrieben. Es geht darum, wie weit die Tiefe als Korrektiv bei Wahrnehmungsstörungen fungieren kann.«
    »Ist bald mit deiner Habilitation zu rechnen?«, fragte Andrej.
    »Mhm«, antwortete sie leichthin.
    »Ruf mich

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