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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Und weißt du auch warum nicht?
Weil du in dem Fall zugeben würdest, dass die Tiefe irreal ist. Aber die Ratte, die Elektroden in das Lustzentrums ihres Gehirns implantiert kriegt, nagt die Drähte nicht durch. Lieber tritt sie aufs Pedal und stirbt an Entkräftung. Und wir Menschen sind da keinen Deut besser als Tiere.«
    »Völlig einverstanden!« Andrej hob die Hände. »Aber du musst wissen, Leonid, ich habe führende Experten zur virtuellen Welt befragt. Fachleute, die jeden Tag mehrere Stunden im Cyberspace verbringen.«
    Ich schluckte mein Lachen hinunter. Wenn jemand dir aufs Butterbrot schmiert, er kenne Leute, die könnten ein ganzes Glas Wodka trinken, dann willst du natürlich antworten, dass du ein paar Flaschen bewältigst. Auch wenn das schlechter Stil ist.
    Wie viele Jahre in meinem Leben hatte ich in der Tiefe gelebt – und war nur für ein paar Stunden aus ihr aufgetaucht?
    »Doch ein falsches Ergebnis ist genauso wertvoll wie ein richtiges«, dozierte Nedossilow weiter. »Deshalb habe ich die Frage eingehender untersucht. Wenn der technische Faktor als Antwort ausscheidet, dann muss alles am humanen …«
    »Eben!«, fiel ich ihm ins Wort. »Das Phänomen der Diver war ausschließlich ein Phänomen der Menschen. Diver haben nämlich die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit nie aus den Augen verloren …«
    »Nur sitzt du damit dem Mythos auf.« Nedossilow schüttelte traurig den Kopf. »Indem du vorbehaltlos eine Legende glaubst. Und weißt du auch, was wiederum dafür der Grund ist? Du glaubst an den Mythos des einsamen Helden!«
    »Das ist mir zu hoch«, gab ich ehrlich zu.
    »Diver haben im Duo gearbeitet«, erklärte Andrej lachend.
    »Manchmal schon«, sagte ich. Mir fiel Romka ein, und ich griff mit finsterer Miene nach der Flasche. »Aber in der Regel sind sie ausgemachte Einzelgänger und …«
    »Und eben da fängt der Mythos an!«, trumpfte Nedossilow auf. »Die Diver, genauer die sogenannten Diver, haben darauf vertraut, dass die Menschen in ihnen unbedingt Individualisten sehen wollten. Dabei haben sie jedoch stets im Team gearbeitet. Einer hielt sich in der virtuellen Welt auf.« Er legte eine Kunstpause ein. »Der andere saß zu Hause, beobachtete das Geschehen am Bildschirm und drückte bei Bedarf den Knopf zum Austritt! «
    »Aber …« Ich verstummte und versuchte, mir dieses Szenario vorzustellen.
    »Das ist doch einleuchtend, oder?« Ich fürchtete schon, Nedossilow wolle mir herablassend auf die Schultern klopfen. Aber sein Bedürfnis nach körperlicher Distanz überstieg sogar noch das der Japaner. Selbst wenn er dir die Hand gab, tat er das schnell und nur mit halber Kraft. »Das ganze Geheimnis der Diver besteht darin, dass sie im Team arbeiten!«
    »Ihre Art von Arbeit ließ so etwas aber kaum …« Ich verstummte. Das war nicht das richtige Argument. Scheiße aber auch, wie sollte ich ihm das erklären? »Du warst doch auch schon mal in der Tiefe , oder?«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Nedossilow perplex. »Ich bin Wissenschaftler, Leonid. Ein Gelehrter, kein Versuchskaninchen.«
    Das Versuchskaninchen überhörte ich. »Dann glaube mir, dass die Arbeitsweise, so wie du sie beschrieben hast, zum Scheitern verurteilt ist. Das Bild auf deinem Computerbildschirm hat wenig mit dem zu tun, was du siehst und spürst, wenn du wirklich in der Tiefe bist. Selbst ein noch so aufmerksamer und gewiefter Partner würde nicht begreifen, wann du wirklich aus der Tiefe herausgeholt werden musst.«
    »Das bildest du dir ein, Leonid.« Andrej lächelte sanft. »Ich habe sogar mit Fachleuten über diese Frage gesprochen. Sie sind überzeugt davon, dass es sich genauso verhält. Obendrein haben
Experimente zweifelsfrei bestätigt, dass diese Methode funktioniert! «
    »In Einzelfällen vielleicht.« Ich wollte mich nicht mit ihm streiten. Meine Ansicht stand der seinen diametral gegenüber, doch das besagte rein gar nichts. »Aber nicht in allen, das musst du mir glauben! Außerdem darf man die Tiefe von heute nicht mit der vergleichen, die wir früher hatten! Vor zwei Jahren gingen die meisten Leute über eine Telefonverbindung, über ein Modem, nach Deeptown. Die Datenübertragung dauerte ewig, die Welt, die du auf den Displays gesehen hast, war nur rudimentär ausgestaltet. Was meinst du denn, wozu all diese Firmen wie Deep-Explorer nötig waren?«
    »Um sich bequemer im virtuellen Raum bewegen zu können«, antwortete Andrej gelassen.
    »Eben nicht! Du bist im Taxi durch die

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