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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ein neues Passwort. Das lautet … gleich hab ich’s … ach ja, Liebe und Ewigkeit! Kannst du dir das merken? Ich muss weiter …!«
    »Ich werd’s versuchen.« Ich bleibe sehr ernst. »Und jetzt lauf los! Wahrscheinlich hast du noch eine Menge vor, oder?«
    »Mehr als du dir vorstellen kannst!«, schreit Ilja, als er schon davonrast. »Auf mich warten Millionen von Dingen!«
    Ich bleibe lächelnd eine Minute stehen.
    Dann dehne ich mich durch den geschlossenen Torbogen hindurch aus.
    Denn auch ich habe noch etwas zu erledigen. Eine einzige Sache, die allerdings nicht angenehm ist.
    Ein Sumpf, in dem es von Monstern wimmelt.
    Berge, von denen Monster herunterklettern.
    Ein Himmel, an dem Monster fliegen.
    Unterirdische Gewölbe, durch die Monster rasen.
    Und eine Stadt, mit Monstern jeder Art.
    Der Wolkenkratzer, den wir in die Luft gesprengt haben, ist bereits aufgebaut. Das Dach ist natürlich nicht zu sehen, aber ich weiß, dass sich dort eine Gruppe von Monstern um eine Kanone drängt.
    Ich drohe ihnen mit dem Finger und gehe weiter.
    Sie schießen nicht auf mich.
    Ich betrete den Park vor dem Palast des Imperators und sehe mich um. Da drüben, an der Stelle, haben wir uns versteckt. Wie lange das her ist! Und da ist die Gruppe von Spielern langgezogen, die der mächtige Imperator getötet hat.
    Ich brauche jetzt Wut. Wut, Hass und Bosheit. Sonst werde ich das, was ich tun muss, nicht fertigbringen. Es ist eine Sache, einem Panzer, der gerade zum Leben erwacht, die ersten Anzeichen dieses Lebens zu nehmen. Oder einen Punk, der eine Pistole benagt und einen Fußgänger überfahren hat, abzuknallen.
    Aber es ist eine ganz andere Sache, jemanden umzubringen, der kein Pendant in der realen Welt hat.
    Jemanden, der in einem kalten, leidenschaftslosen Experiment geschaffen wurde. Dem als Erstes die brutalen Regeln
des Spiels eingespeist worden sind: zu töten und getötet zu werden.
    Ich habe nicht das Recht, ihn am Leben zu lassen.
    Ich muss ihn töten.
    Sicher, damit tue ich etwas, das sich nicht rückgängig machen lässt. Aber ich muss verhindern, dass dieses Wesen in den Straßen Deeptowns auftaucht. Ich darf nicht zulassen, dass er begreift, wer er ist, alle Barrieren einreißt und sich im Netz ausbreitet. Denn dann würde selbst meine jetzige Kraft nichts mehr gegen ihn ausrichten können.
    Ich stehe da und schüre meine Wut. Genau wie Pat vor ein paar Stunden, als er dem Dark Diver gegenüberstand. Ich rufe mir in Erinnerung, wie der Imperator den Spielern über seinem Knie das Rückgrat gebrochen hat, wie er Bastard abgefackelt und Dschingis getötet hat. Diese letzte Figur eines grausamen Spiels darf ihren Weg nicht zu Ende gehen. Denn dann wäre wieder alles wie gehabt. Dann würde mit dem echten Leben auch der echte Tod in Deeptown Einzug halten.
    Sobald ich mir sicher bin, dass meine Wut groß genug ist, gehe ich zum Tor des Palasts.
    Ihr habt den Gläubigen weisgemacht, dass ihr weder das Böse noch die Gewalt propagiert. Vergiss es doch, Crazy! Das Einzige, was ihr bewiesen habt, ist, dass das Labyrinth ein ausgesprochen profitabler Vergnügungspark ist. Aber was, wenn der Imperator irgendwann aus dem Labyrinth ausbricht und sich an all seinen Mördern rächen will?
    Schließlich hat er den ersten Schritt auf dem endlosen Weg der Selbsterkenntnis bereits gemacht. Er hat die entscheidende Frage gestellt. Damit hat er aufgehört, sich allein dem grausamen Programm des Spiels zu unterwerfen.
    Und ich muss ihm diesen Weg abschneiden.
    Die Gänge sind leer.
    Ich nehme den gleichen Weg zum Fahrstuhl wie beim letzten Mal und drücke den verborgenen Knopf. Der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung.
    Die Entwickler des Labyrinths können mich in diesem Moment weder sehen noch hören. Trotzdem zerstöre ich lieber alle Kontrollkanäle, sodass auf den Monitoren nur noch ein erstarrtes Bild zurückbleibt.
    Ich will keine Zuschauer.
    Ich tue etwas, das getan werden muss – aber ich will daraus keine Show machen.
    Der Thronsaal ist ebenfalls leer. Es gibt auch keine Wache. Sie hatte der Imperator bereits aus freien Stücken aufgestellt, den Vorgaben des Programms zum Trotz. Ich ziehe die Waffe des Revolvermanns. Die werde ich nicht brauchen, denn ich habe vor, den Imperator mit der Kraft des Dark Divers zu töten. Aber ich benötige ein Symbol.
    Ich durchquere den Saal und sehe hinter dem silbrigen Metallthron nach.
    Dort entdecke ich den Imperator.
    Er sitzt gekrümmt da, hat die Knie ans Gesicht gezogen und umfasst

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