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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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geht, ist, dass der Hacker auch in der realen Welt gestorben ist. Das bedeutet … wenn wir nicht von einem Zufall ausgehen … und davon sollten wir nicht ausgehen … dass jemand eine Waffe der dritten Generation entwickelt hat und sie auch einsetzt. «
    »Der dritten?«, erklang es da. »Was soll das denn heißen?«
    Der seltsame Freund von Dschingis stand wieder in der Tür, auch diesmal hielt er eine Scheibe in der Hand – die jedoch vermutlich keine unangenehmen Überraschungen mehr enthielt.
    »Das habe ich dir doch schon erklärt«, sagte Dschingis. »Die erste Generation vernichtet deine Software. Die zweite, die nur die Polizei einsetzen darf, kann auch deinen Rechner ausknocken. Der Prozessor läuft heiß, das BIOS wird gelöscht oder manipuliert, der Bildschirm schmort durch.«
    »Das weiß ich selbst, ich bin ja nicht blöd«, blaffte der Junge Dschingis an. Die mussten sich ja echt heiß und innig lieben. »Aber die dritte Generation hast du mir verheimlicht!«
    »Weil sie nicht existiert«, hielt Dschingis dagegen. »Außer in der Fantasie. Es soll eine Waffe sein, die einen Menschen aus dem virtuellen Raum heraus tötet. Das ist Blödsinn. Damit machen Blättchen wie die Buschtrommel Schlagzeilen. Dann kannst du auch gleich an das Ungeheuer von Loch Ness glauben!«
    »Aber der Hacker ist und bleibt tot«, warf ich ein. »Es gibt eine Leiche. Die ist völlig real.«
    »Pat, gib dem Mann die Scheibe«, befahl Dschingis. »Dann geh hoch ins Esszimmer. Da liegt eine Leiche auf dem Boden. Sieh mal nach, ob sie schon verfault ist! Wenn nicht, gib ihr ein schönes Paar Tritte in die Seite!«
    »Echte Tritte?«, fragte der Junge mit leuchtenden Augen zurück.
    »Darum würde ich bitten. Auf meine Verantwortung.«
    Der Junge strahlte über beide Backen. Er drückte mir die Disk in die Hand, von der er sich bis eben nicht hatte trennen wollen, und stürmte die Treppe hoch.
    Ich sah Dschingis überrascht an.
    Der grinste. Gelangweilt erhob er sich, nahm einen kristallenen Aschenbecher vom Bartresen, der bereits halbvoll mit Kippen war, und schnappte sich auch ein Päckchen Zigaretten sowie ein Ronson-Feuerzeug. Er zündete sich eine Zigarette an und warf mir die Schachtel lässig zu.
    Automatisch nahm ich mir ebenfalls eine Zigarette, ließ das Feuerzeug aufschnappen – und hätte es beinahe fallen gelassen.
    Oben, im Esszimmer mit der Glasdecke, ertönte ein Schrei.
    »Die Leiche zeigt also noch Reaktionen«, bemerkte Dschingis versonnen. »Halten wir das als positives Zeichen fest und nehmen es zum Anlass, uns zu freuen.«
    Ohne die Zigarette anzuzünden, legte ich sie zurück.
    Oben fiel irgendwas zu Boden. Ein Schrei wie von einem Kind war zu hören, der so durchdringend klang wie das Geräusch eines Kabelmodems mit einer Geschwindigkeit von 115 200 Baud, danach fiel abermals etwas Schweres zu Boden, und offenbar ging etwas zu Bruch. Ein zweiter quiekender Schrei erklang.
    »Da wird doch nichts … passiert sein?«, fragte ich. Ich hatte Pat zwar nicht sonderlich ins Herz geschlossen und verspürte auch keinen Wunsch, nach jemandem zu sehen, der so schrie … Trotzdem war Pat noch ein Kind …
    »Alles, was zu Bruch gehen kann, ist längst hinüber.« Dschingis schüttelte traurig den Kopf. »Bis auf die Decke, aber die besteht aus Panzerglas.«
    Auf der Treppe erklang Getrampel, das elegante Holzgeländer erzitterte. Zunächst kriegte ich nur zwei Paar Beine zu sehen. Das eine gehörte Pat und berührte nur hin und wieder mal eine Stufe. Das andere war nackt und mit rotblondem Haar bewachsen.
    Kurz darauf erschien die vermeintliche Leiche in voller Pracht.
    Bei ihm handelte es sich um einen stämmigen Mann von etwa vierzig Jahren. Seine Proportionen beschrieb man am besten mit dem Wort Quadrat. Der kurze Hals verschwand unter einem gewaltigen Rauschebart, der Backenbart schrie nach einem Barbier. Dafür war der Kopf absolut kahl.
    Das i-Tüpfelchen an der Erscheinung der neuen Figur in diesem absurden Theater bildeten knielange, schwarze Unterhosen aus Satin, das einzige Stück, das der Mann am Körper trug, sah man von dem Kreuz ab, dass sich in seinem Brustfell verfangen hatte. Die weit aufgerissenen Augen blickten durch eine Brille mit schmalem Goldrand.
    »Dsching!« Das Gebrüll des Kraftbolzen ließ die Bierkrüge vibrieren. »Hast du Pat befohlen, mich zu treten?«
    »Hab ich«, bestätigte Dschingis mit unerschütterlicher Ruhe. »Zwei Tritte sollte er dir verpassen. War er ein braver

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