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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Junge?«
    »Der hier?« Der Mann betrachtete seine rechte Hand, an der Pat hing. »Der war brav, dieser pedantische Widerling! Normalerweise schafft es niemand, mir einen zweiten Tritt zu verpassen! Was verlangst du für den?«
    »Dein Notebook, Bastard.«
    Natürlich haute mich diese Eröffnung nicht um. Von welcher Leiche hier die Rede war, hatte ich schnell begriffen. Allein, ich konnte mein Glück nicht fassen.
    Obwohl: Durfte ich eine Begegnung mit diesem Typ als Glück bezeichnen?
    Nachdenklich musterte Bastard den schweigenden Pat. Zunächst wunderte ich mich, wie widerstandslos der Junge diese Behandlung über sich ergehen ließ – bis mir dann auffiel, dass er sich völlig in die behaarte Hand des Hackers verbissen hatte.
    »Nein, das ist er nicht wert«, erklärte Bastard und schüttelte Pat ab. Sobald der auf dem Boden gelandet war, sprang er zur Seite und spuckte aus.
    »Dann begrüße wenigstens meinen Gast«, schlug Dschingis vor.
    Bastard richtete seinen Blick wie in Zeitlupe auf mich. Er räusperte sich, um mit fast normaler, nur etwas lauter Stimme zu äußern: »Ich bitte um Verzeihung. Meine allzu emotionale Reaktion ist der etwas ungewöhnlichen Art geschuldet, mit der ich zu so früher Stunde geweckt wurde.«
    Ich erhob mich und versuchte mir über die Szene, deren Zeuge ich gerade geworden war, keine Gedanken zu machen. »Ich bin Leonid.«
    Bastard drückte mir mit akkurat bemessener Kraft die Hand. »Und ich bin Bastard. Ihr gestattet?«
    »Bitte? O ja!«
    Der Hacker nahm meinen Krug und trank einen Schluck. Er verzog das Gesicht. »Schon wieder dieses Spülwasser! Dsching, du Dreckskerl, warum zum Teufel hast du dem Jungen gesagt, er soll mich treten? Noch dazu zweimal?«
    »Wieso nicht? Wo du doch eine Leiche bist! Da tut dir doch nichts weh. Außerdem …« Dschingis, der in seinem Sessel lümmelte, nickte zu dem mürrischen Pat hinüber. »… wollte Pat schon lange mal wissen, ob du durch einen Tritt aufwachst oder nicht.«
    Der Junge brachte sich erstaunlich flink hinter seinem Sessel in Deckung. Aber Bastard machte keine Anstalten, ihm hinterherzujagen.
    »Warum bin ich eine Leiche?«, fragte er und kratzte sich die Brust.
    »Weil du getötet worden bist. Im virtuellen Raum, mit einer Waffe der dritten Generation – die dafür sorgt, dass du auch in der realen Welt stirbst.«
    Dschingis brach in schallendes Gelächter aus.
    Bastard blieb jedoch todernst. »Jemand wurde ermordet«, bestätigte er. »Und jemand ist gestorben. Nur war das nicht ich.«
    Er stellte meinen leeren Krug ab und ging in den Flur. Kurz darauf klapperten die Flaschen, die er aus dem Jacuzzi fischte.
    Ich sah Dschingis und Pat an. Der Junge machte ein fröhliches und aufgeregtes Gesicht, Dschingis jedoch hatte eine steinerne Miene aufgesetzt.
    »Die Waffe existiert also nur in meiner Fantasie, ja?«, fragte ich.

110
    Als der Hacker aus dem Bad zurückkam, hatte er etwas mehr Kleidung am Körper. Er trug einen eleganten Bademantel, der ihm allerdings zu lang und in den Schultern zu eng war. Mit Sicherheit gehörte er eigentlich Dschingis. Seine Füße hatte er in Latschen gezwängt, die ihm viel zu klein waren, sodass die Ferse und ein Gutteil des Fußes überstanden.
    In jeder Hand hielt Bastard zwei Flaschen Shiguljowskoje.
    »Warum hast du dein Bier schon wieder in dem Jacuzzi kalt gelegt?«, fragte Dschingis.
    »Reg dich ab«, knurrte Bastard. »Im Kühlschrank kriegst du die ideale Temperatur einfach nicht hin. Außerdem gibt nur Fließwasser Bier den richtigen Geschmack.«
    »Außerdem hast du meinen Bademantel an.«
    »Machst du dir Sorgen um ihn? Was bist du eigentlich für ein Lackaffe geworden?«, fragte der Hacker, während er einen Sessel näher zu uns heranzog, sich setzte und ein Bein übers andere schlug. Er öffnete die Flasche mit bloßen Händen und nahm gierig einen Schluck.
    »Und warum trägst du meine Hausschuhe?!«, maulte Pat.
    »Oh, oh, oh«, äffte Bastard seinen Tonfall nach. »Und wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Auf meinem Stühlchen gesessen? Und wer hat meine Festplättchen formatiert? Ich trage
deine Hausschuhe nicht, du Rotzbanause, ich bin in sie hineingeschlüpft! «
    »Lenk nicht ab, Bastard!«, verlangte Dschingis gelassen. »Und spar dir deine Kraftausdrücke, wenn der Junge im Raum ist!«
    »Du hättest dir mal anhören sollen …« Bastard setzte die Flasche an die Lippen, leerte sie in einem Zug und stellte sie unterm Tisch ab. »… was dieser Junge mir gestern

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