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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Menschen, der ihm am nächsten steht.
    »Viel Spaß in der Tiefe , Vika«, flüsterte ich und schloss die Tür hinter mir.
    Dann würde ich eben auf dem Sofa schlafen.
    Oder überhaupt nicht.
    Leise ging ich zu meinem Rechner, beugte mich über das Mikro und flüsterte: »Wach auf, Vika!«
    Die Festplatte summte los, die Ventilatoren sirrten leise. Meine Kiste hatte mittlerweile derart viele zusätzliche Festplatten, dass ich ein zweites Paar Ventilatoren hatte kaufen müssen, sonst wäre der Rechner nach einer Viertelstunde durchgeschmurgelt.
    »Nimm den Ton raus. Und gib mir einen Statusbericht!«
    Es liegen keine Meldungen vor. Die Ressourcen reichen aus.
    Ich nickte der Schriftzeile zu und zog mir den Sensoranzug an.
    »Zugang zum Netz. Die Standardverbindung. Persönlichkeit Nr. 3, Proteus.«
    Wird erledigt.
    Natürlich sollte ich den Timer einstellen.
    Aber ich wusste nicht, wie viel Zeit ich brauchte.
    Denn ich ging weder zur Arbeit noch besuchte ich die Tiefe zu meinem Vergnügen.
    Ich zog aus, Rache zu üben.
    Ich spürte das weiche Polster des Helms, sah die Displays vor meinen Augen. Der Ventilator summte ganz leise, er blies mir Luft ins Gesicht, die momentan weder warm noch eiskalt war, sondern einfach die Luft des Zimmers. Aus den Kopfhörern drang kein Ton.
    Deep.
    Enter.
    Ein wirbelnder Regenbogen, ein Trichter, ein Wasserfall …
    Der Schlund der Tiefe .

ZWEITER TEIL
Der Diver-in-der- Ti e fe - Tempel

00
    Ich verlasse das Hotel in Proteus’ Körper, den ich leicht verändert habe, sodass ich nun um die vierzig bin. In meinen Taschen stecken die Pistole des Revolvermanns und die alten Programme, denn mit den neuen muss ich mich erst mal vertraut machen. Und das dauert.
    Dann mal los.
    Sobald ich ein Taxi des Deep-Explorers angehalten und die Adresse genannt habe, starre ich bloß noch auf die Häuser, an denen wir vorbeifahren, und murmle immer wieder mein Mantra vor mich hin: »Es muss sein, es muss sein, es muss sein …«
    So sehr es mich auch schreckt.
    Es ist, als ob du über verbrannte Erde gehst. Als ob du deine Liebste in den Armen eines anderen Mannes erwischst. Als ob du einen alten Freund triffst, der sauer auf dich ist und dir deshalb nicht die Hand gibt. Als ob du dich zu einem Ort begibst, von dem man dich mal achtkantig vertrieben hat.
    Trotzdem darf ich nicht trödeln. Denn ich darf auf gar keinen Fall zu spät kommen. Wenn das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen ist … Zerschlagenes Vertrauen kittest du weder mit Tränen noch mit Gejammer, und einer Wasserleiche bringt es überhaupt nichts, wenn du ihr einen Rettungsring zuwirfst.
    Nur: Ich komme längst zu spät.
    »Wir haben den Bestimmungsort erreicht«, teilt mir die Fahrerin mit, eine junge Schwarze mit überdimensionalen Ohrringen und einem fantasievollen Tattoo am Hals. Es ist das erste Mal, dass mir eine weiße Tätowierung unterkommt. Wahrscheinlich wurde so was speziell für dunkelhäutige Menschen entwickelt.
    Das sieht, nebenbei bemerkt, ziemlich gut aus.
    »New boundaries«, fügt die Fahrerin noch hinzu.
    Ich zahle und steige aus, das Taxi fährt weiter, um den nächsten Kunden aufzugabeln. Erst einmal sehe ich mich um.
    Eine stinknormale Straße, genau wie viele andere Geschäftsstraßen in Deeptown. Immerhin sind die Häuser relativ ausgefallen, fast schon originell. Ich stehe vor dem Sitz der Firma, in die Bastard und Romka eingestiegen sind.
    Aber die ist nicht mein Ziel.
    Ich hole eine Zigarre raus und zünde sie mir an.
    Nach einem Blick auf die Uhr schlendere ich gemütlich Richtung Bill-Gates-Platz, der bereits von hier aus zu erkennen ist. Der rechteckige Platz ist mit weißen und blauen Pflastersteinen ausgelegt, in der Mitte steht das Denkmal von Billy selbst. Nirgendwo versammeln sich die Gegner von Windows Home so gern wie hier. Das Denkmal wird regelmäßig in die Luft gejagt, beschmiert und einmal im Jahr mit Sahnetorten beschmissen.
    Microsoft setzt es ohne jede Klage Mal um Mal wieder instand, liefert ihr doch jeder neue Anschlag wertvolle Informationen über die Methoden des virtuellen Terrorismus. Gates selbst hat offen zugegeben, dass er mit diesem Denkmal bereits mehr Geld gescheffelt hat, als er es sich je erträumt hatte. Dieser kluge Kopf …
    Trotzdem werden die jugendlichen Hacker keine Ruhe geben.
    Rund ums Denkmal hängen Hippies herum, die Bier trinken und Marihuana rauchen. Ich bleibe stehen und sehe noch einmal auf die Uhr.
    Vier Minuten. Okay, um exakt zu sein, vier Minuten und

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