Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
zehn Sekunden.
    Aber Romka hat fünfeinhalb Minuten gebraucht, um den Platz zu erreichen.
    Warum?
    Selbst wenn er eine lahme Kiste hatte, über eine Telefonverbindung in die Tiefe ging, seine Spuren verwischt und Haken geschlagen hatte, selbst wenn er sich gegen seine Verfolger zur Wehr setzen musste …
    Aber er war auf der Flucht! Und wenn wir Diver etwas können, dann ist das fliehen!
    Wie du es auch drehst und wendest, es bleiben ein, zwei Minuten, für die es keine Erklärung gibt.
    Wo genau Romka getötet worden ist, weiß ich nicht. Und ich will es auch gar nicht wissen, ich will niemanden danach fragen. Er ist hier gestorben, an diesem Platz, das reicht mir. Ich kaufe am nächsten Kiosk eine Flasche Wodka, nehme einen Schluck und gieße den Rest auf das blau-weiße Pflaster.
    Romka hat immer Unmengen Alkohol in sich hineingekippt. Trotzdem ist er nie besoffen gewesen. Das konnte er nicht, denn in seinem realen Leben hat er, der Fünfzehnjährige, nie Alkohol getrunken.
    »Möge die Tiefe gut zu dir sein, Partner«, hauche ich. »Verzeih mir, dass ich nicht bei dir war.«
    Wobei die Frage ist, wie ich ihm eigentlich hätte helfen sollen?
    Schließlich ist … schließlich war er selbst ein Diver.
    Er hätte die virtuelle Welt jederzeit verlassen können.
    Und das beschäftigt mich: Warum hat Romka das nicht getan?
    Warum hatte er sich denn damals, vor zwei Jahren, in einen aussichtslosen Kampf gegen jene als Drachen gestaltete Sicherheitssoftware von Al Kabar gestürzt, um mir die Gelegenheit zu geben, mit den gestohlenen Daten zu fliehen?
    Romka musste auf Zeit gespielt haben. Er wusste ja nicht, dass die Kugel, die in ihm steckte, in der realen Welt tödlich für ihn ist. Er glaubte, lediglich seinen Rechner zu opfern. Aber worauf hat er dann noch gewartet?
    Darauf, um die Daten zu kopieren?
    Nur: Wo sind sie dann gelandet?
    Auf Romkas Kiste hat Bastard nichts gefunden. Und wenn er nichts entdeckt hat, dann ist da auch nichts.
    Ich stehe da und betrachte Gates, der pfiffig durch seine Brille blinzelt. Ob Romka noch einen anderen Partner hatte?
    Nein, das ist unwahrscheinlich. Er hat nicht gern mit anderen zusammengearbeitet. Außerdem hätte er Bastard darüber informiert.
    Vielleicht war Romka bei seiner Flucht ja auch einem alten Bekannten in die Arme gelaufen – und hatte ihm die Daten übergeben?
    Nein, auch unwahrscheinlich.
    Ob er die Daten irgendwo versteckt hat?
    Aber wie hätte er das anstellen sollen?
    Das hier ist nicht die reale Welt, in der er eine Diskette einfach in einen Spalt zwischen zwei Steinen schieben oder in den Straßenrand werfen kann, um danach Hals über Kopf davonzustürzen. Hier hätte er vorab ein Versteck anlegen müssen. Oder er hätte ein gutes Programm parat haben müssen, das in einer Minute die Sicherheitssoftware von jedem x-beliebigen Server knackt, die Daten dorthin überspielt und verschlüsselt.
    Irgendwie kann ich mir das nicht so recht vorstellen. Auch wenn es möglich wäre.
    Trotzdem lässt sich an bestimmten Tatsachen nicht rütteln. Obwohl ich nicht bei Romka gewesen bin, habe ich klar vor Augen, wie er sich verhalten hat. Er hat die heiße Ware irgendwo
versteckt, ist weitergestürmt, hat Zeit geschunden und auf etwas gewartet. Das Schlimmste, mit dem er dabei gerechnet hat, war wohl, dass seine Kiste abschmiert. Weil jemand mit einer Waffe der zweiten Generation auf ihn losgegangen ist.
    Stopp! Selbst das ist merkwürdig.
    Ein Rechner ist nicht bloß eine Ansammlung von Mikrochips und Programmen. Schon gar nicht für uns Diver. Jeder Buchhalter, der die Jahresbilanz auf einer längst schrottreifen Kiste erstellt, hängt an seiner Kiste. Eben weil er an das Gerät, an die alte, klemmende Tastatur, die Maus, die er nicht mehr richtig sauber kriegt und längst austauschen müsste, an die lauten Ventilatoren made in China, an die lahme und überlastete Festplatte gewohnt ist.
    Deshalb lieben wir es auch so, unseren Rechner immer wieder aufzumotzen, ihm neue Platinen zu spendieren, ihn mit neuen Programmen zu füttern.
    Wer also würde, wenn er es mit wütenden Sicherheits-Fuzzis zu tun kriegt, wenn er kapiert, dass jemand eine Waffe der zweiten Generation eingesetzt hat, seinen Rechner opfern? Noch dazu wegen ein paar lächerlicher Dollar und eines zweifelhaften Anteils am zukünftigen Gewinn?
    Ich selbst würde in einer solchen Situation garantiert auftauchen. Und Romka auch, denn er war immer extrem pingelig, was seinen Rechner betraf.
    Daher kann die Frage

Weitere Kostenlose Bücher