Der falsche Zeuge
abfinden können, dass er ein völlig hoffnungsloses Arschloch ist.
Verdammte Naivität!
Warum habe ich nicht sofort »nein« zu Drífa gesagt?
Aber es bringt nichts, es jetzt zu bereuen. Ich werde den mit Dornen übersäten Weg bis ans Ende gehen müssen.
Ich habe Lust, sie persönlich zu sehen. Maria. Mir ist natürlich klar, dass sie von hinten und vorne deutlich gekennzeichnet ist: »Achtung-Hochspannung-Lebensgefahr!«
Manchmal ist es wirklich lustig, sich an den Rand des Abgrunds zu wagen und dort entlang zu tanzen. Ich muss mich nur in Acht nehmen, niemals abzustürzen.
Als Anwältin von Siggi Palli darf ich unter keinen Umständen versuchen, Einfluss auf ihre zu erwartende Aussage vor Gericht auszuüben. Ich muss deshalb äußerst vorsichtig vorgehen.
Es ist völlig windstill in der Stadt. Der erste Tag seit langem, an dem die Sonne scheint.
Ich habe es mir im Benz gemütlich gemacht. Auf dem Parkplatz nahe bei Marias Schule. Warte in aller Ruhe, bis die Kinder herauskommen. Nutze die Zeit, um den Bericht von Salvörs Autopsie zu lesen. Ich habe ihn heute Morgen erhalten und werfe gerade einen Blick auf den wissenschaftlichen Teil. Ab und zu schaue ich aus der Mappe auf, um die Eingangstür der Schule abzuchecken. Und nehme das Gespräch an, als das Handy klingelt.
Es ist Máki. Er ist völlig durchgedreht.
Es gelingt mir gerade so, ihn wieder auf den Teppich zu holen. Den unverständlichen Redefluss einzudämmen. Kriege ihn dazu, noch mal von vorne anzufangen und mir in verständlicher Geschwindigkeit zu berichten, was ihn so aus der Bahn geschleudert hat.
Da wird seine Aufregung verständlich.
Er ist ganz plötzlich arbeitslos. Steht auf der Straße. Alles wegen des schönen Berichts über die Krawallbrüder, Audólfur Hreinssons und Porno-Valdis Wachdienst und die Nazivergangenheit vom alten Opa.
Die Familie reagierte auf den Artikel, indem sie alle Aktien des Nachrichtennetzes aufgekauft und den Chefredakteur gefeuert hat.
»Die beiden haben den Besitzern gestern Abend spät ein Angebot unterbreitet und sie dann die ganze Nacht belagert, bis der Kaufvertrag heute Morgen unterschrieben wurde«, sagt Máki aufgebracht.
»Was du nicht sagst!«
»Audólfur Hreinsson hat sofort den Posten des Vorstandsvorsitzenden übernommen, und seine erste Amtshandlung war, mich zu feuern. Als ich zur Arbeit kam, wurde ich sofort ins Büro des Geschäftsführers zitiert, und da saß Audólfur in seinem Sessel, schwarz angezogen von Kopf bis Fuß, und befahl mir breit grinsend, die Büros der Redaktion augenblicklich zu verlassen.«
»Wie können es sich die beiden leisten, einen neuen Betrieb zu kaufen?«
»Für solche Deals braucht man kein Geld«, antwortet Máki. »Sie haben einfach die Schulden übernommen und den Rest mit Aktien von Firmen, die ihnen gehören, bezahlt.«
»Hast du eine schriftliche Kündigung bekommen?«
»Audólfur hat mir einen lächerlichen Brief gegeben, den ich immer noch nicht gelesen habe.«
Ich verfolge weiterhin, was in der Schule vor sich geht, während ich Máki die Möglichkeit gebe, sich abzureagieren.
»Und ich hatte noch nicht mal meinen Kram zusammengepackt, als Tóti Doofie über das ganze Gesicht grinsend hereinkommt und verkündet, dass er meine Stelle übernimmt!«, ruft er ins Handy. »Stell dir mal vor, dieser unfähige Schlappschwanz ist Chefredakteur geworden! Und das Erste, was er für die neuen Eigentümer gemacht hat, war, meinen Bericht aus dem Netz zu nehmen und sich für das Geschriebene zu entschuldigen. Der wird nicht lange brauchen, das Ansehen, dass das Nachrichtennetz bei den Lesern hat, zu ruinieren.«
Die ersten Schüler kommen aus dem Haupteingang.
»Ich muss gehen«, falle ich ihm ins Wort. »Ruf mich später wieder an.«
Ich erkenne Maria gleich von den Fotos wieder. Sie ist groß und dürr, hat dickes, helles Haar, das weit auf den Rücken herunterfällt, und ist mit einem anderen Mädchen ins Gespräch vertieft. Aber ihre Wege trennen sich auf dem Bürgersteig. Jede geht in eine andere Richtung.
Das erste Stück folge ich Maria im Benz. Aber als mir klar wird, dass sie auf dem Weg ins nahe gelegene Einkaufszentrum ist, fahre ich im Silberpfeil an ihr vorbei auf den Parkplatz. Dann folge ich ihr in die Menschenmenge.
Maria geht schnurstracks zum nächsten Restaurant. Sie bestellt sich an der Theke ein Gericht, bevor sie sich an einen Tisch setzt und eine Zeitschrift aus der Schultasche zieht.
Ich kann auch hungrig sein. Bestelle einen
Weitere Kostenlose Bücher