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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Vision. Noch nicht.« Eine der Klingen kam erneut zum Vorschein, und der Mann zerschnitt damit ein Stück Papier, das zu bluten begann. Er zerknüllte das Blatt und entfaltete es wieder. Es gab weder einen Schnitt noch Blut. Dann reichte er es dem Jungen, der bemerkte, dass auf der Rückseite eine Adresse stand, geschrieben mit roter Tinte.
    Die anwesenden Zuschauer jubelten und klatschten voll aufrichtiger Bewunderung Beifall. Oder auch aus Neid.
    Der Illusionist beugte sich zum Ohr des jungen Houdini herunter. »Komm vorbei«, flüsterte er. »Du hast noch viel zu lernen. Und ich kann dir viel beibringen.«
    Der Junge behielt den Zettel, brachte aber nicht den nötigen Mut auf, um tatsächlich hinzugehen. Dann, an seinem fünfzehnten Geburtstag, sorgte seine Mutter dafür, dass sein Leben sich dauerhaft veränderte: Sie bekam einen Wutanfall und schleuderte ihrem Mann einen Teller Bandnudeln an den Kopf, weil sie offenbar mehr über die verdächtige Mrs. Loam erfahren hatte. Flaschen flogen, Zierrat ging zu Bruch, die Polizei kam.
    Jetzt hatte der Junge endgültig genug. Am nächsten Tag besuchte er den Illusionisten, und der Mann willigte ein, sein Mentor zu werden. Der Zeitpunkt war perfekt gewählt. Zwei Tage später wollte der Mann zu einer ausgedehnten Tournee durch die Vereinigten Staaten aufbrechen. Er brauchte einen Assistenten. Der junge Houdini plünderte sein geheimes Bankkonto und tat, was auch sein berühmter Namensvetter getan hatte: Er lief von zu Hause weg, um als Zauberkünstler zu arbeiten. Es gab jedoch einen bedeutenden Unterschied: Harry Houdini war damals nur weggegangen, um Geld für seine verarmte Familie zu verdienen, und kehrte bald zu ihr zurück. Der junge Malerick sah keinen seiner Verwandten jemals wieder.
    »Hallo, wie geht’s?«
    Die heisere Stimme der Frau riss ihn aus seinen lebhaften Erinnerungen und holte ihn zurück in die Kneipe an der Upper West Side. Ein weiblicher Stammgast, schätzte er. Sie war Mitte fünfzig und versuchte vergeblich, zehn Jahre jünger auszusehen. Vermutlich hatte sie sich diesen Schuppen als Jagdrevier auserkoren, weil das Licht hier so gedämpft war. Sie schob sich auf den Hocker neben Malerick und beugte sich vor, so dass er in ihren Ausschnitt sehen konnte.
    »Bitte?«
    »Ich hab nur gefragt, wie’s dir geht. Dein Gesicht kommt mir nicht bekannt vor.«
    »Ich bin erst seit kurzem in der Stadt.«
    »Ah«, sagte sie, hörbar angetrunken. »Ich brauch mal Feuer.« Das klang so, als müsse er sich nun geehrt fühlen, ihr die Zigarette anzünden zu dürfen.
    »Oh, sicher«, erwiderte er.
    Er betätigte das Feuerzeug und hielt es hoch. Die hat’s aber ganz schön nötig, dachte er, als sie ihre rot lackierten, knochigen Finger um seine Hand legte und die Flamme an ihre Lippen führte.
    »Danke.« Sie blies einen schmalen Rauchstrahl zur Decke. Als sie den Kopf wieder senkte, hatte Malerick bereits das Geld für die Zeche auf den Tresen gelegt und stand auf.
    Sie runzelte die Stirn.
    »Ich muss los.« Er lächelte. »Ach ja, das hier können Sie behalten.«
    Er gab ihr das kleine metallene Feuerzeug. Sie nahm es und wirkte überrascht. Das Stirnrunzeln verstärkte sich. Es war ihr eigenes Feuerzeug. Malerick hatte es aus ihrer Handtasche entwendet, als sie ihm auf die Pelle gerückt war.
    »Wie’s aussieht, brauchten Sie wohl doch kein Feuer«, flüsterte er kalt.
    Dann ließ er sie dort am Tresen zurück. Zwei Tränen liefen ihr über die Wangen und zogen eine Spur aus Wimperntusche. Malerick lächelte. Von all den sadistischen Nummern, die er für dieses Wochenende geplant und zum Teil schon in die Tat umgesetzt hatte – das Blut, das zerschnittene Fleisch, das Feuer –, würde ihm diese im Nachhinein wahrscheinlich am besten gefallen.
    Als es noch zwei Blocks bis zu Rhymes Haus waren, hörte sie die Sirenen.
    Amelia Sachs hatte eine dieser verrückten Eingebungen: Kaum drang das elektronische Heulen des Einsatzfahrzeugs an ihr Ohr, dachte sie auch schon, dass es aus Rhymes Richtung zu kommen schien.
    Natürlich war es nicht so, entschied sie.
    Es musste sich um einen Zufall handeln.
    Dann sah sie die blau-roten Signallichter – und die befanden sich
tatsächlich
auf dem Central Park West bei Rhymes Adresse.
    Komm schon, Mädchen, das bildest du dir nur ein, beruhigte sie sich. Der unheimliche Harlekin auf dem Banner vor dem Zelt des Cirque Fantastique, die Künstler mit ihren Masken und die schrecklichen Morde des Hexers hatten sie durcheinander

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