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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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sieht’s aus?«, fragte der Mann in dem grauen Anzug. Luis Martinez, der ruhige, kräftige Detective aus Roland Bells Team, zuckte zusammen.
    Er saß auf der Couch vor dem Fernseher und hatte die Sonntagsausgabe der
New York Times
auf dem Schoß. »Mann, haben Sie mich erschreckt.« Er nickte dem Neuankömmling zu, warf einen kurzen Blick auf dessen Dienstmarke und -ausweis und musterte dann sein Gesicht. »Sie sind die Ablösung?«
    »Richtig.«
    »Wie sind Sie hereingekommen? Hat man Ihnen einen Schlüssel gegeben?«
    »Ja, in der Zentrale.« Er sprach mit heiserem Flüstern, als sei er erkältet.
    »Sie Glückspilz«, murmelte Luis. »Wir hier müssen uns einen teilen. Das ist echt nervig.«
    »Wo steckt Mr. Grady?«
    »In der Küche. Seine Frau und Chrissy auch. Wie kommt’s, dass Sie schon so früh hier sind?«
    »Keine Ahnung«, entgegnete der Mann. »Ich bin bloß die Aushilfe. Man hat mir diese Zeit genannt.«
    »Davon können wir alle ein Lied singen, was?«, sagte Luis. Er runzelte die Stirn. »Ich glaube, ich kenne Sie noch gar nicht.«
    »Ich bin Joe David«, sagte der Mann. »Normalerweise arbeite ich drüben in Brooklyn.«
    Luis nickte. »Ja, da habe ich auch mal angefangen, beim Siebzigsten.«
    »Das ist meine erste Schicht hier. Beim Personenschutz, meine ich.«
    Aus dem Fernsehgerät plärrte ein lauter Werbespot.
    »Tut mir Leid, ich hab Sie nicht verstanden«, sagte Luis. »Ihre erste Schicht?«
    »Ja.«
    »Tja, und gleichzeitig Ihre letzte, würde ich sagen.«
    Luis ließ die Zeitung fallen, sprang von der Couch auf, zog mit einer flüssigen Bewegung seine Glock und richtete sie auf den Mann, von dem er wusste, dass es Erick Weir war. »Er ist
hier
! In der Wohnung – im Wohnzimmer!«, brüllte der sonst so gelassene Detective in sein Funkgerät.
    Zwei weitere Beamte, die in der Küche gewartet hatten – Detective Bell und dieser fette Lieutenant, Lon Sellitto –, drängten sich mit erstaunten Mienen durch eine andere Tür in den Raum. Sie packten Weirs Arme und zogen eine schallgedämpfte Pistole aus seinem Gürtel.
    »Runter, los, los los!«, rief Sellitto mit barscher, gereizter Stimme und drückte dem Mann die Mündung seiner Waffe in den Nacken. Wenn der Kerl jetzt sein eigenes Gesicht sehen könnte!, dachte Luis. Ihm waren im Laufe der Jahre schon viele verblüffte Täter begegnet, aber dieser Weir schlug sie alle. Er keuchte laut und bekam kein Wort über die Lippen. Doch Luis vermutete, dass er auch nicht überraschter war als die Cops.
    »Wo, zum Teufel, kommt der denn her?«, fragte Sellitto atemlos. Bell schüttelte nur ungläubig den Kopf.
    Während Luis dem Verdächtigen zwei Paar Handschellen anlegte, beugte Sellitto sich ein Stück vor. »Sind Sie allein? Oder haben Sie draußen Verstärkung?«
    »Nein.«
    »Verarschen Sie uns nicht!«
    »Meine Arme, Sie tun mir weh!«, klagte Weir.
    »Ist noch jemand mitgekommen?«
    »Nein, nein, ich schwöre.«
    Bell verständigte die anderen über Funk. »Weiß der Himmel, wie er das fertig gebracht hat, aber er ist ins Haus gekommen.«
    Zwei uniformierte Kollegen, die man den Zeugenschutzengeln zugewiesen hatte, eilten in das Apartment. Sie waren in der Nähe des Aufzugs versteckt gewesen. »Anscheinend hat er das Flurfenster aufgestemmt«, sagte einer von ihnen. »Sie wissen schon, das Fenster an der Feuertreppe.«
    Bell sah Weir an und begriff, was geschehen war. »Das Sims am Lanham? Sie sind gesprungen?«
    Weir sagte nichts, aber es musste so gewesen sein. Sie hatten sowohl in der Gasse zwischen den Gebäuden als auch auf beiden Dächern Leute postiert. Keiner von ihnen hatte damit gerechnet, dass er auf den Vorsprung klettern und über den Luftschacht hinwegspringen würde.
    »Sonst noch jemand?«, fragte Bell die Streifenbeamten.
    »Nein. Wie’s aussieht, war er solo unterwegs.«
    Sellitto streifte sich Latexhandschuhe über, durchsuchte den Mann und fand Einbruchwerkzeug sowie diverse Requisiten. Am merkwürdigsten waren die sorgfältig festgeklebten falschen Fingerkuppen. Sellitto zog sie ihm ab und verstaute sie in einer Plastiktüte. Falls die Situation nicht so entnervend gewesen wäre – ein Auftragsmörder hatte es tatsächlich bis in die Wohnung ihrer Schutzbefohlenen geschafft –, hätten die zehn Fingerspitzen in der Tüte durchaus komisch ausgesehen.
    Sie nahmen den Mann genauer in Augenschein, und Sellitto setzte die Durchsuchung fort. Weir war muskulös und in erstklassiger Form, obwohl das Feuer beträchtlichen

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