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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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dann an den Tatorten zurückzulassen, um dadurch die Polizei zu dem Zirkus zu führen.
    Besser gesagt,
irre
zuführen.
    Eine gute Täuschung und der richtige Kniff waren die Schlüssel einer jeden gelungenen Illusion, und niemand beherrschte dieses Spiel besser als Malerick, der Mann mit den tausend Gesichtern, der wie ein aufflackerndes Streichholz aus dem Nichts erschien und gleich einer ausgeblasenen Flamme wieder verschwand.
    Der Mann, der sich von selbst in Luft auflöste.
    Die Polizei würde im Augenblick natürlich hektisch nach der Benzinbombe suchen, mit deren Explosion jederzeit zu rechnen war. Aber es gab keine Bombe, und für die zweitausend Zuschauer im Cirque Fantastique bestand keinerlei Gefahr (abgesehen von der Möglichkeit, dass einige von ihnen im Zuge der ausbrechenden Panik zu Tode getrampelt wurden).
    Am Ende des Flurs schaute Malerick sich um und konnte niemanden mehr entdecken. Eilig stellte er das Tablett neben einer Tür auf den Boden, hob die Cloche an, nahm die schwarze Pistole und schob sie in eine Reißverschlusstasche seiner Pagenuniform. Dann öffnete er das Lederetui und zog einen Schraubenzieher heraus.
    Mit schnellen Bewegungen schraubte er die metallene Sperre ab, die normalerweise dafür sorgte, dass man das Fenster nur ein kleines Stück öffnen konnte. (Die Menschen scheinen auch wirklich
jede
Gelegenheit wahrzunehmen, um Selbstmord zu begehen, was?, dachte er.) Dann schob er das Fenster ganz nach oben. Sorgfältig verstaute er den Schraubenzieher wieder in dem Etui und dieses danach in der Reißverschlusstasche. Im nächsten Moment stand er auch schon auf dem Fensterbrett und trat in fünfzig Metern Höhe vorsichtig auf den Vorsprung hinaus.
    Das Sims war einen halben Meter breit – er hatte vor ein paar Tagen ein Zimmer hier angemietet und es dort am Fenster nachgemessen –, und wenngleich Malerick auch kein ausgebildeter Akrobat war, so verfügte er doch über den vorzüglichen Gleichgewichtssinn aller großen Illusionisten. Er folgte dem Verlauf des Kalksteinvorsprungs nun genauso bequem, als ginge er auf einem Bürgersteig. Nach nur fünf Metern erreichte er die Ecke des Hotels, blieb stehen und sah zum Nachbargebäude des Lanham Arms hinüber.
    Es handelte sich um ein Apartmenthaus an der Fünfundsiebzigsten Straße Ost, das zwar nicht mit einem Sims, dafür aber mit einer Feuertreppe aufwarten konnte, keine zwei Meter von Malerick entfernt und unmittelbar über einem Luftschacht gelegen, aus dem das unaufhörliche Summen der Klimaanlagen erklang. Malerick nahm einen kurzen Anlauf, übersprang die Kluft, bekam problemlos das Geländer zu fassen und schwang sich hinüber.
    Er stieg zwei Etagen nach oben, blieb an einem Fenster im sechzehnten Stock stehen und schaute ins Haus. Der Gang war menschenleer. Malerick legte Pistole und Etui auf dem Fensterbrett ab und riss sich mit einer schnellen Bewegung die falsche Pagenuniform vom Körper. Darunter trug er einen schlichten grauen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte. Die Waffe steckte Malerick sich in den Gürtel, und mit dem Werkzeug öffnete er auch hier das Schloss des Fensters. Dann kletterte er hindurch.
    Im ersten Moment verharrte er reglos und hielt sogar den Atem an. Danach folgte er dem Korridor bis zu der gesuchten Wohnung. Vor der Tür kniete er sich hin und öffnete erneut das Etui. Er führte die Blattfeder und den Dietrich ins Schlüsselloch ein. Innerhalb von drei Sekunden hatte er das Schloss geöffnet, nach weiteren fünf den Zusatzriegel. Er stieß die Tür gerade so weit auf, dass er die Angeln sehen konnte, und sprühte diese mit einem winzigen Ölzerstäuber ein, damit sie nicht quietschen würden. Unmittelbar darauf stand er in dem langen dunklen Flur des Apartments. Leise schloss er die Tür.
    Er ließ den Blick in die Runde schweifen, um sich zu orientieren.
    An der Wand hingen einige weit verbreitete Drucke von Salvador Dalís surrealen Landschaften, ein paar Familienfotos und ein unbeholfenes Aquarell von New York City. (Es stammte laut Signatur von einem Kind namens »Chrissy«.) Neben der Tür stand ein billiger Tisch, dessen kürzestes Bein durch ein mehrfach gefaltetes Blatt Papier gestützt wurde. In einer Ecke des Flurs lehnte einsam ein einzelner Ski mit gebrochener Bindung. Die Tapete war alt und fleckig.
    Malerick ging auf das Geräusch des Fernsehers im Wohnzimmer zu, machte jedoch einen kurzen Abstecher und betrat einen engen dunklen Raum, in dem ein verkleinerter tiefschwarzer

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