Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man
kommt überall im Central Park vor… Damit haben wir zwei Verweise auf den Park. Gut. Jetzt nehmen wir uns die Erdprobe vor.«
Cooper wechselte den Objektträger. Das Bild des Mikroskops – felsengroße Krümel – war wenig aufschlussreich. »Schick einen Teil davon durch den Chromatographen«, sagte Rhyme.
Die Kombination aus Gaschromatograph und Massenspektrometer vereinte zwei chemische Analyseinstrumente in einem Gehäuse. Der Chromatograph spaltete eine unbekannte Substanz in ihre Bestandteile auf, deren genauere Bestimmung dann das Spektrometer übernahm. Ein weißes, einheitlich wirkendes Pulver zum Beispiel konnte ein Dutzend verschiedene Chemikalien enthalten: Natron, Arsen, Babypuder, Phenol oder Kokain. Irgendjemand hatte den Vorgang der Chromatographie mal mit einem Pferderennen verglichen: Die Bestandteile begannen ihren Weg durch das Instrument zum selben Zeitpunkt, kamen jedoch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voran, so dass sie sich voneinander absetzten. An der »Ziellinie« verglich das Massenspektrometer jeden der eintreffenden Stoffe mit einer riesigen Datenbank bekannter Substanzen und identifizierte ihn.
Coopers Analyse ergab, dass die von Sachs sichergestellte Erdprobe mit einem Öl durchtränkt war. Leider existierte kein entsprechender Referenzeintrag in der Datenbank, und so erfuhren sie lediglich, dass es sich um einen anorganischen Stoff handelte.
»Setzt euch mit dem FBI-Labor in Verbindung«, befahl Rhyme. »Womöglich haben die das Zeug schon mal gesehen.« Er betrachtete eine der Plastiktüten. »Ist das der schwarze Stoff, den du gefunden hast?«
Vielleicht hat es etwas zu bedeuten, vielleicht auch nicht…
Sie nickte. »Das Tuch lag in der Ecke des Vorraums, in der das Opfer erdrosselt wurde.«
»Hat es der Frau gehört?«, fragte Cooper.
»Kann sein«, sagte Rhyme, »aber lass uns vorerst davon ausgehen, dass es vom Täter stammt.«
Vorsichtig zog Cooper den Stoff aus der Tüte und nahm ihn in Augenschein. »Seide. Von Hand umgenäht.«
Das Tuch war erstaunlich groß, ungefähr zwei mal anderthalb Meter, doch es ließ sich zu einem kleinen Viereck zusammenfalten.
»Aufgrund der Zeitangaben wissen wir, dass er sie dort bereits erwartet hat«, sagte Rhyme. »Ich wette, er hat sich in die Ecke gekauert und dieses Tuch über sich ausgebreitet. Damit war er nahezu unsichtbar. Vermutlich wollte er den Stoff wieder mitnehmen, aber dann sind die Beamtinnen aufgetaucht und haben ihn zur Flucht gezwungen.«
Was wohl in diesem armen Mädchen vorgegangen sein musste, als wie durch Zauberei der Mörder über sie herfiel, sie mit Handschellen fesselte und ihr das Seil um den Hals legte?
Cooper fand auf dem schwarzen Stoff mehrere Partikel und übertrug sie auf einen Objektträger. Wenig später erschien das Abbild auf dem Monitor. In der Vergrößerung sahen die Teilchen wie gezackte fleischfarbene Salatblätter aus. Mel berührte eines mit einer feinen Sonde. Das Material war elastisch.
»Was, zum Teufel, ist
das
?«, fragte Sellitto.
»Irgendein Gummi«, vermutete Rhyme. »Von einem Luftballon – nein, dafür sind sie zu dick. Und sieh mal genau hin, Mel. Da hat es eine Schmierspur gegeben, ebenfalls fleischfarben. Steck es in den Chromatographen.«
Während sie auf das Ergebnis warteten, klingelte es an der Tür.
Thom ging nach vorn und kehrte mit einem Umschlag zurück.
»Die Fingerabdrücke«, verkündete er.
»Ah, gut«, sagte Rhyme. »Schick sie an AFIS, Mel.«
Die leistungsstarken FBI-Server des Automatischen Fingerabdruck-Identifizierungs-Systems in West Virginia würden eine Vielzahl digitalisierter Bundes- und Staatskarteien abfragen und innerhalb weniger Stunden ein Resultat liefern. Wenn gutes und deutlich erkennbares Ausgangsmaterial vorlag, dauerte die Abgleichung manchmal nur Minuten.
»Wie ist die Qualität?«, fragte Rhyme.
»Ziemlich sauber.« Sachs legte ihm die Fotos vor. Viele zeigten nur Teilabdrücke, aber auf einem konnte man die komplette linke Hand erkennen. Rhyme fiel sofort auf, dass zwei Finger des Mörders – der kleine und der Ringfinger – verformt waren. Sie schienen zusammengewachsen zu sein, und zwar mit vollkommen glatter Haut, ohne jede Papillarleiste. Rhyme kannte sich recht gut in forensischer Pathologie aus, doch er vermochte nicht zu erkennen, ob hier ein Geburtsfehler oder eine Unfallfolge vorlag.
Irgendwie komisch, dachte Rhyme. Der linke Ringfinger des Täters ist geschädigt, und meiner ist das einzige Körperteil
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