Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man
unterhalb des Halses, das ich überhaupt noch bewegen kann.
Dann runzelte er die Stirn. »Warte noch eine Minute mit dem Scannen, Mel… Komm näher, Sachs. Ich will das genauer sehen.«
Sie kam zu ihm, und er schaute sich die Fotos ein weiteres Mal an. »Fällt dir irgendetwas Ungewöhnliches daran auf?«
»Nicht wirklich«, sagte sie. »Moment mal…« Sie lachte. »Die sind alle gleich.« Sie blätterte die Bilder durch. »Seine Finger sehen alle
gleich
aus. Auf jedem ist diese kleine Narbe.«
»Er muss eine Art Handschuh mit falschen Papillarleisten tragen«, sagte Cooper. »
So
etwas habe ich noch nie gesehen.«
Wer, zum Teufel,
war
dieser Kerl?
Auf einem der Bildschirme erschienen die Ergebnisse der spektrometrischen Analyse. »Okay, wir haben hier reinen Latex und… was ist das?«, fragte er. »Der Computer hat es als ein Alginat identifiziert. Das höre ich zum ersten…«
»Zähne«, sagte Rhyme.
»Was?«, fragte Cooper.
»Es ist ein Pulver, das man mit Wasser anrührt, um daraus Abdruckmassen zu erstellen. Zahnärzte benutzen es, um Kronen und andere Prothesen anzufertigen. Vielleicht war unser Mann einfach nur in medizinischer Behandlung.«
Cooper las die weiteren Stoffe vor. »Außerdem gibt es minimale Spuren von Rizinusöl, Propylenglykol, Cetylalkohol, Glimmer, Eisenoxid, Titandioxid, Steinkohlenteer und ein paar neutrale Pigmente.«
»Manches davon kommt in Make-up vor«, sagte Rhyme und musste an einen früheren Fall denken, bei dem ein Mörder auf dem Spiegel des Opfers obszöne Botschaften hinterlassen hatte, geschrieben mit einem Abdeckstift. Da sich auf seinem Ärmel entsprechende Schmierspuren fanden, war es letztlich gelungen, den Täter mit dem Tatort in Verbindung zu bringen. Bei den damaligen Ermittlungen hatte Rhyme viel über Kosmetika gelernt.
»Könnte es von der Frau stammen?«, fragte Cooper.
»Nein«, antwortete Sachs. »Ich habe bei ihr Proben genommen. Sie war nicht geschminkt.«
»Nun ja, schreibt es mit auf die Tafel. Wir werden noch sehen, ob es etwas zu bedeuten hat.«
Mel Cooper wandte sich der Mordwaffe zu, dem Seil, und legte es auf ein Porzellantablett. Nach einer Weile blickte er auf. »Es handelt sich um ein Seil mit weißer Hülle und schwarzem Kern, beides aus geflochtener Seide und daher so leicht und dünn, dass es nicht dicker als ein normales Seil wirkt, obwohl es in Wahrheit zwei Komponenten sind.«
»Was soll das? Ist es dank des Kerns stabiler?«, fragte Rhyme. »Lässt es sich einfacher aufknoten? Oder
schwieriger
? Was?«
»Keine Ahnung.«
»Das wird immer rätselhafter«, sagte Sachs mit einem theatralischen Unterton, der Rhyme geärgert hätte, wäre er nicht zufällig der gleichen Meinung gewesen.
»Ja«, stimmte er ihr beunruhigt zu. »So etwas hatten wir noch nicht. Lasst uns weitermachen. Ich möchte etwas
Vertrautes
, etwas, das wir
benutzen
können.«
»Und der Knoten?«
»Wurde von einem Experten geknüpft, aber ich erkenne die Technik nicht wieder«, sagte Cooper.
»Schick ein Bild davon ans FBI. Und… kennen wir nicht jemanden im Schifffahrtsmuseum?«
»Die haben uns schon ein paarmal bei Knoten geholfen«, sagte Sachs. »Ich werde auch ihnen eine E-Mail mit dem Bild schicken.«
Tobe Geller von der Abteilung für Computerkriminalität rief aus seinem New Yorker FBI-Büro an. »Das ist ja ein tolles Ding, Lincoln.«
»Wie schön, dass wir Ihnen eine kleine Freude machen durften«, murmelte Rhyme. »Können Sie uns über unser
Spielzeug
denn auch etwas
Nützliches
mitteilen?«
Geller, ein junger Lockenkopf, war für Rhymes Sarkasmus vollkommen unempfänglich, vor allem, da es um ein Computerprodukt ging. »Es ist ein digitaler Audiorekorder. Ein faszinierendes kleines Gerät. Ihr Täter hat etwas damit aufgenommen, den Ton auf einer Festplatte gespeichert und es dann so programmiert, dass alles mit Verzögerung wieder abgespielt wurde. Wir wissen nicht, um was für eine Aufzeichnung es sich gehandelt hat – er hat ein Löschprogramm eingebaut und alle Daten vernichten lassen.«
»Es war seine Stimme«, murmelte Rhyme. »Als er behauptete, er habe eine Geisel bei sich, war das bloß eine Sounddatei. Genau wie bei dem Trick mit den Stühlen. Wir sollten glauben, dass er sich noch in dem Raum aufhielt.«
»Das passt. Der Lautsprecher ist ein besonderes Modell – klein, aber mit exzellentem Bass und Mitteltöner. Eine menschliche Stimme dürfte daraus ziemlich echt klingen.«
»Auf der Platte ist nichts mehr
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