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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Bleistiftschraffur, sondern ließ in spitzem Winkel helles Licht auf die nächste Seite des Buchs scheinen, was dem üblichen Verfahren entsprach. Er schüttelte den Kopf.
    »Nichts«, teilte Rhyme dem Gutachter mit. »Wie hat er das angestellt?«
    »Er hat den Namen ex-laxt.«
    »Wie bitte?«, fragte Sellitto.
    »Er hat eine Tinte benutzt, die wieder unsichtbar wird. Bei uns in der Branche heißt das ›ex-laxen‹, nach dem gleichnamigen Produkt. Das alte Ex-Lax enthielt Phenolphthalein, bevor es von der Gesundheitsbehörde verboten wurde. Man löst eine Pille in Alkohol auf und erhält blaue Tinte mit einem alkalischen pH-Wert. Dann schreibt man damit. Nach einer Weile an der Luft verschwindet das Blau.«
    »Ja«, sagte Rhyme und dachte an sein Grundwissen über chemische Vorgänge. »Das Kohlendioxid der Luft erhöht den Säuregehalt der Tinte, und das neutralisiert die Farbe.«
    »Korrekt. Phenolphthalein kommt heutzutage kaum noch vor. Aber man erreicht das gleiche Ergebnis, wenn man als Indikator Thymolphthalein und Natriumhydroxid verwendet.«
    »Wird dieses Zeug in bestimmten Läden verkauft?«
    »Hm«, überlegte Kincaid. »Nun ja… Hab etwas Geduld, mein Schatz. Daddy telefoniert… Nein, das ist schon in Ordnung. Im Ofen sieht jeder Kuchen schief aus. Ich komme gleich… Lincoln? Was ich sagen wollte, ist: Diese Sache mit der verschwindenden Tinte hört sich theoretisch nach einer großartigen Idee an, aber während meiner Zeit beim FBI ist uns kein einziger Verbrecher oder Spion untergekommen, der so etwas tatsächlich
benutzt
hätte. Es ist ein eher modischer Effekt, wenn du verstehst, was ich meine. Etwas für einen Entertainer.«
    Ein Entertainer, dachte Rhyme säuerlich und schaute zur Tafel, an der die Fotos der armen Swetlana Rasnikow hingen. »Wo könnte unser Täter solche Tinte bekommen?«
    »Höchstwahrscheinlich in einem Spielwarenladen oder in einem Fachhandel für Zauberkünstler.«
    Interessant…
    »Okay, danke, das hilft uns schon weiter, Parker.«
    »Kommen Sie uns doch mal besuchen«, rief Sachs. »Und bringen Sie die Kinder mit.«
    Rhyme verzog das Gesicht. »Warum lädst du nicht auch gleich all ihre Freunde ein?«, flüsterte er Sachs zu. »Am besten die ganze Schule…«
    Sie bat ihn lachend, den Mund zu halten.
    Rhyme beendete das Telefonat und unterbrach die Verbindung. »Je mehr wir erfahren, desto weniger wissen wir«, stellte er mürrisch fest.
    Bedding und Saul riefen an und berichteten, dass Swetlana in der Musikschule offenbar allseits beliebt gewesen sei und dort keine Feinde gehabt habe. Ihre Nebenbeschäftigung schien in dieser Hinsicht ebenfalls unverdächtig: Sie hatte auf Kindergeburtstagen Singspiele veranstaltet.
    Aus der Gerichtsmedizin traf ein Päckchen ein. Es enthielt eine Plastiktüte mit den alten Handschellen, die dem Opfer mittlerweile abgenommen worden waren. Gemäß Rhymes Anweisung hatte man die Fesseln nicht geöffnet, sondern stattdessen die Hände der Leiche zusammengepresst, da durch das Aufbohren der Schlösser womöglich wertvolle Spuren vernichtet worden wären.
    »Solche Dinger hab ich noch nie gesehen, allenfalls im Kino«, sagte Cooper und hielt die Tüte hoch.
    Rhyme ging es genauso. Die Handschellen waren uralt, schwer und aus ungleichmäßig geschmiedetem Eisen gefertigt.
    Cooper bürstete den Bereich rund um die Schlüsselöffnungen ab und klopfte die Fesseln sorgfältig aus, fand aber keine verwertbaren Partikel. Zumindest das Alter der Handschellen war ein ermutigender Umstand, denn es limitierte die Anzahl der möglichen Herkunftsorte. Rhyme wies Cooper an, die Fesseln zu fotografieren und einige Bilder auszudrucken, die man dann diversen Händlern vorlegen konnte.
    Sellitto erhielt einen weiteren Anruf. Er hörte kurz zu und wirkte auf einmal ziemlich verwirrt. »Unmöglich… Sind Sie sicher?… Ja, okay. Danke.« Er legte auf und sah Rhyme an. »Das kapiere ich nicht.«
    »Was denn?«, fragte Rhyme, der keine Lust auf noch mehr Rätsel verspürte.
    »Das war der Verwalter der Musikschule. Es
gibt
da keinen Hauswart.«
    »Aber die Streifenbeamtinnen haben ihn gesehen«, wandte Sachs ein.
    »Das Reinigungspersonal arbeitet samstags nicht, sondern nur unter der Woche, und zwar abends. Außerdem sieht keiner von denen so aus wie der Kerl, dessen Beschreibung wir haben.«
    Kein Hauswart?
    Sellitto blätterte seine Notizen durch. »Er war ganz in der Nähe der zweiten Tür und hat den Boden gefegt. Er…«
    »Oh, verdammt!«, fluchte Rhyme.

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