Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man
drauf?«
»Nein, alles weg.«
»Verflucht. Ich wollte eine Stimmprobe haben.«
»Tut mir Leid. Keine Chance.«
Rhyme seufzte enttäuscht und fuhr zurück zu Coopers Tisch; es blieb Sachs überlassen, sich bei Geller herzlich für die Hilfe zu bedanken.
Das Team wandte sich nun der Armbanduhr des Opfers zu, die aus unbekannten Gründen zertrümmert worden war, aber außer dem genauen Zeitpunkt der Zerstörung barg sie keinerlei Hinweise. Bisweilen legten Täter falsche Spuren, indem sie vor der absichtlichen Beschädigung einer Uhr die falsche Zeit einstellten, doch hier lag offenbar kein solcher Täuschungsversuch vor. Was sollten sie davon halten?
Das wird immer rätselhafter…
Während Thom die Erkenntnisse auf der Tafel festhielt, fiel Rhymes Blick auf die Tüte mit dem Besucherbuch. »Der fehlende Name.« Er überlegte. »Neun Leute haben sich eingetragen, aber es stehen nur acht Namen da… Ich glaube, wir benötigen einen Experten.« Er wandte den Kopf zum Mikrofon. »Kommando, Telefon. Anrufen, Kincaid Komma Parker.«
…Sechs
Auf dem Bildschirm erschien die Vorwahl von Virginia, 703, gefolgt von der Nummer des gewünschten Teilnehmers.
Es klingelte. »Hier bei Kincaid«, meldete sich die Stimme eines jungen Mädchens.
»Äh, ja. Ist Parker da? Dein Vater, meine ich.«
»Wer spricht denn dort?«
»Lincoln Rhyme. Aus New York.«
»Einen Moment, bitte.«
Kurz darauf ertönte am anderen Ende die gelassene Stimme eines der hervorragendsten Dokumentengutachter des Landes. »He, Lincoln. Ist eine ganze Weile her, was?«
»Hatte viel zu tun«, sagte Rhyme. »Und wie sieht’s bei dir aus, Parker?«
»Ach, es war ziemlich hektisch. Ich habe beinahe einen internationalen Zwischenfall verursacht. Die British Cultural Society aus Washington wollte, dass ich die Echtheit eines Tagebuchs beglaubige, angeblich aus dem Besitz von König Edward VIII. Sie hatten es von einem Privatsammler gekauft. Man beachte den letzten Satz, Lincoln.«
»Sie hatten bereits dafür bezahlt.«
»Sechshunderttausend.«
»Ganz schön teuer. Waren die Leute denn dermaßen versessen darauf?«
»Na ja, es stand richtig saftiger Klatsch über Churchill und Chamberlain darin. Natürlich nicht
diese
Art von Klatsch.«
»Natürlich nicht.« Wie üblich, wenn Rhyme jemanden um unentgeltliche Unterstützung bitten wollte, bemühte er sich um Geduld.
»Ich hab’s mir angesehen, und was blieb mir übrig? Ich musste die Echtheit anzweifeln.«
Bei einem so geachteten Fachmann wie Kincaid war dieser harmlose Einwand gleichbedeutend mit einem vernichtenden Urteil: Es handelte sich um eine schamlose Fälschung.
»Ach, die werden schon darüber hinwegkommen«, fuhr er fort. »Obwohl, dabei fällt mir ein, die haben meine Rechnung noch nicht bezahlt… Nein, mein Schatz, der Zuckerguss kommt erst, wenn der Kuchen abgekühlt ist… Weil ich das sage.«
Kincaid war allein erziehender Vater und zudem der frühere Leiter der zentralen FBI-Dokumentenstelle. Er hatte die Behörde verlassen und sich selbstständig gemacht, um mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen zu können, Robby und Stephanie.
»Was macht Margaret?«, rief Sachs in den Lautsprecher.
»Amelia, sind Sie das?«
»Ja.«
»Ihr geht’s gut. Ich hab sie jetzt ein paar Tage nicht gesehen. Am Mittwoch waren wir mit den Kindern bei Planet Play, und ich hatte Margaret fast schon beim Laser-Duell geschlagen, als ihr Pager losging. Sie musste irgendwo eine Tür eintreten und Leute verhaften. In Panama oder Ecuador oder so. Sie verrät mir nie die Einzelheiten. Also, was gibt’s?«
»Wir brauchen deine Hilfe bei einem Fall. Folgendes ist passiert: Der Täter hat sich am Eingang eines Gebäudes in ein Besucherbuch eingetragen. So weit alles klar?«
»Ja. Und nun soll die Handschrift analysiert werden?«
»Das Problem ist: Es
gibt
keine Handschrift.«
»Sie ist verschwunden?«
»Ja.«
»Und du bist sicher, dass der Täter nicht bloß so getan hat?«
»Hundertprozentig. Der Wachmann dort hat Tinte auf Papier gesehen, kein Zweifel.«
»Kann man noch irgendwas erkennen?«
»Nein, nichts.«
Kincaid lachte auf. »Ziemlich schlau. Zuerst löste der Eintrag sich in Luft auf. Und dann hat jemand anders seinen Namen
über
die freie Stelle geschrieben und dafür gesorgt, dass nicht mal mehr ein Abdruck der ursprünglichen Worte geblieben ist.«
»Genau.«
»Habt ihr es schon mit dem Blatt unter der Liste probiert?«
Rhyme sah Cooper an. Der Techniker versuchte es nicht mit einer
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