Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man
wurde.
»Kümmern wir uns um die Spuren. Was haben wir, Sachs?«
»In dem griechischen Restaurant leider gar nichts«, sagte sie und verzog das Gesicht. »Ich habe den Geschäftsführer angewiesen, alles unberührt zu lassen, aber er hat es irgendwie missverstanden. Oder er
wollte
es missverstehen. Als wir dorthin zurückkamen, hatte das Personal den Tisch gereinigt und den Boden gewischt.«
»Was ist mit diesem Tümpel, an dem ihr ihn gestellt habt?«
»Dort konnten wir ein paar Spuren sichern«, sagte Sachs. »Er hat uns wieder mit Schießbaumwolle geblendet und dann einige Knallkörper gezündet. Im ersten Moment dachten wir, er hätte das Feuer eröffnet.«
Cooper sah sich die verbrannten Überreste an. »Genau wie die anderen. Nichts davon lässt sich zurückverfolgen.«
»Also gut.« Rhyme seufzte. »Was sonst noch?«
»Zwei Ketten unterschiedlicher Länge.«
Er hatte sie um Cheryl Marstons Brust, Arme und Fußgelenke geschlungen und mit Karabinerhaken gesichert. Cooper und Rhyme nahmen alles sorgfältig in Augenschein. Auf keinem der Gegenstände war ein Hersteller vermerkt. Das Gleiche galt für das Seil und das Stück Isolierband, das als Knebel gedient hatte.
Die Sporttasche, die der Täter aus dem Wagen mitgenommen hatte und in der wahrscheinlich die Ketten und das Seil verstaut gewesen waren, trug keinerlei Markennamen und stammte aus chinesischer Fabrikation. Bisweilen gelang es, den Herkunftsort eines gewöhnlichen Gebrauchsartikels ausfindig zu machen, indem man eine ausreichend große Zahl von Leuten die Discountläden und Straßenverkäufer abgrasen ließ, doch bei einem solch billigen Massenprodukt wie dieser Tasche stand der Aufwand in keinem Verhältnis zum möglichen Ergebnis.
Cooper hielt die offene Tasche umgedreht über ein Porzellantablett und klopfte mehrmals kräftig auf den Boden. Ein wenig weißes Pulver rieselte heraus. Der Techniker unterzog es einer Analyse und stellte fest, dass es sich um Flunitrazepam handelte.
»Ein beliebter Tranquilizer«, erklärte Sachs für Kara.
Ferner fanden sich im Innern der Tasche Kügelchen einer klebrigen lichtdurchlässigen Substanz. Das gleiche Material schien im Reißverschluss und an dem Tragegriff zu haften. »Das kommt mir nicht bekannt vor«, sagte Cooper.
Aber Kara sah genauer hin und roch daran. »Klebewachs«, sagte sie. »Ein Zauberkünstler benutzt es, um auf der Bühne Gegenstände vorübergehend zu befestigen. Vielleicht hat er sich eine offene Kapsel der Droge an die Handfläche geklebt und bei einer passenden Gelegenheit in das Getränk der Frau geleert.«
»Und wo gibt es dieses Wachs zu kaufen?«, fragte Rhyme zynisch. »Lassen Sie mich raten – in jedem beliebigen Fachgeschäft der freien Welt?«
Kara nickte. »Tut mir Leid.«
Darüber hinaus stieß Cooper in der Tasche auf winzige Metallspäne und einen runden schwarzen Fleck – als hätte dort eine kleine Farbdose gestanden.
Die Untersuchung mit dem Mikroskop erbrachte, dass die Späne offenbar aus Messing bestanden und ungewöhnliche maschinelle Bearbeitungsspuren trugen. Lincoln Rhyme hatte keine Idee. »Schick ein paar Fotos an unsere Freunde vom FBI.« Cooper fertigte Bilder an, komprimierte die Dateien und sandte sie als verschlüsselte E-Mail nach Washington.
Der schwarze Fleck rührte nicht von Farbe, sondern von dokumentenechter Tinte her, doch die Datenbank erbrachte keinen Aufschluss über die exakte Marke, da sich keinerlei individuelle Kennzeichen fanden.
»Was ist das?«, fragte Rhyme mit Blick auf eine Plastiktüte, in der ein dunkelblaues Kleidungsstück lag.
»Da hatten wir echtes Glück«, sagte Sachs. »Das ist die Windjacke, die er zunächst getragen hat. Als er fliehen musste, blieb ihm keine Gelegenheit mehr, sie mitzunehmen.«
»Gibt’s charakteristische Merkmale?«, fragte Rhyme, der auf ein Monogramm oder ein Wäschezeichen hoffte.
Cooper nahm sich das Kleidungsstück vor. »Nein«, sagte er dann. »Und alle Etiketten wurden entfernt.«
»Aber wir haben einige Dinge in den Taschen gefunden.«
Zuerst widmeten sie sich einem Presseausweis, ausgestellt von einem der großen Kabelsender. Der Name des CTN-Reporters lautete Stanley Saferstein, und auf dem Foto war ein schlanker braunhaariger Mann mit Bart zu sehen. Sellitto rief beim Sender an und sprach mit dem Sicherheitschef. Wie sich herausstellte, war Saferstein einer der leitenden Journalisten und seit Jahren für die Lokalredaktion tätig. Der Ausweis war ihm letzte Woche gestohlen
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