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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Leninowitsch begegnete oder jemand nur seinen Namen erwähnte, dann kam in Mirandas Augen ein Leuchten, und ihre Wangen röteten sich. Aha, so muss man es also machen, um sich der leidenschaftlichen Liebe seiner Tochter zu versichern, dachte Nicholas. Man muss sich von ihr lossagen, sie siebzehn Jahre im Waisenhaus schmoren lassen und dann im Mercedes Vorfahren und sagen: Guten Tag, mein Töchterchen. Ich bin dein Vater. Er dachte das zwar, aber er wusste natürlich selber, dass das Unfug war; er war einfach neidisch.
    In den verbleibenden vier Tagen bekam Fandorin den Hausherrn nur einmal zu Gesicht. Mirat Leninowitsch verließ das Haus am frühen Morgen, kehrte spät zurück und schaffte es nur am Montag, am Vortag des Geburtstages seiner Tochter, zum gemeinsamen Abendessen zu kommen. Aber selbst da konnte man sich nicht mit ihm unterhalten. Auch im Esszimmer ging Herr Kuzenko mal ans Telefon, mal musste er die Papiere durchsehen, die ihm der hünenhafte Igor in einer Tour vorlegte.
    Was für ein toller Hecht, dachte Nicki verzagt, wenn er den Magnaten beobachtete. Wie ihn diese bildschöne Frau und die reizende Tochter anhimmelten, und dabei sah er doch gar nicht aus wie Erast Petrowitsch, ja noch nicht einmal wie Tom Cruise. Das lag nicht am Aussehen, sondern an der inneren Kraft, da hatte Inga Sergejewna völlig Recht. Was er wohl mit Jack the Ripper angestellt hätte? Schließlich war er Arzt, also der Repräsentant eines humanen Berufes.
    Vor dem Abendbrot hatte Nicholas gerade einen heftigen Streit mit Mira gehabt, in dem es darum ging, wie Erast Fandorin sich verhalten sollte, wenn es ihm gelänge, dieses Monstrum zu fassen. Nach der Meinung des Gouverneurs müsste man diesen armen Psychopathen in ein Gefängniskrankenhaus stecken, wo die Ärzte versuchen sollten, seine kranke Psyche zu heilen. So hätte es auch Erast Petrowitsch, ein Anwalt der Rechtsordnung und wirklich zivilisierter Mensch, gemacht, der fest daran glaubte, dass das Wort mächtiger als die Gewalt ist. Mira wollte partout nichts von einer solchen Lösung hören. »Unser Erast würde das Schwein schon finden und umlegen«, flötete der zarte Mädchenmund unerbittlich.
    Das Mädchen hatte einen festen, kämpferischen Charakter. So hatte sie zum Beispiel entsetzliche Angst vor dem bevorstehenden Empfang aus Anlass ihres Geburtstages. Bei der bloßen Erwähnung des unerbittlich näher rückenden Dienstags zog sich ihr ohnehin mageres Gesichtchen in die Länge, und die kleinen geraden Zähne bohrten sich in die Unterlippe, und doch hätte Miranda um nichts in der Welt zugegeben, was für eine Qual die bevorstehende Prüfung für sie bedeutete – denn das hätte ja ihren Papa verstimmt, der ihr damit einen Gefallen tun wollte.
    Nicholas scheute keine Mühe, um dem Mädchen Selbstvertrauen einzuflößen. Er versuchte, sie davon zu überzeugen, dass sie in dem prächtigen Reifrock bildhübsch aussah (was die reine Wahrheit war), zeigte ihr, wie sie gehen und auftreten sollte. Eine ganze Stunde widmete er dem Umgang mit Messer und Gabel, obwohl er sich sicher war, dass die oberen Zehntausend der Neureichen diese Feinheiten auf Garantie nicht beherrschen.
    Am meisten Angst hatte Miranda davor, etwas Falsches zu sagen und Mirat Leninowitsch damit zu kompromittieren.
    »Rede doch so wenig wie möglich«, riet ihr Nicki, »in Gegenwart von Erwachsenen ist das für ein junges Mädchen genau das Richtige. Wenn sie dich etwas fragen, dann antwortest du, du bist ja schließlich nicht auf den Mund gefallen. Ansonsten lächele sie alle an, das reicht. Du hast ein Lächeln wie eine Madonna.«
    An dem denkwürdigen Tag, als sie schon die Gäste erwarteten, nahm Fandorin die festlich gekleidete Mira beiseite, drückte ihr aufmunternd die bis zu den Ellbogen in Handschuhen steckende Hand und sagte:
    »Du bist eine Berühmtheit. Alle werden dich anschauen, es werden auch eifersüchtige Menschen darunter sein. Sie werden nach Fehlern suchen, insbesondere die Frauen. Du solltest keine Angst davor haben. Die Welt ist nun einmal so – ob im neunzehnten oder im einundzwanzigsten Jahrhundert, das ist gleich. Sei zu allen freundlich und höflich, aber wenn du auf Spott oder eine Frechheit stößt, dann wehr dich. Ich werde mich in der Nähe aufhalten und dir zu Hilfe kommen.«
    »Keine Sorge, Nikolaj Alexandrowitsch«, sagte das Mädchen mit vor Angst weißen Lippen und lächelte. »Hauptsache, ich mache meinem Vater keine Schande. Aber wenn mir jemand dumm kommt, dann

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