Der Favorit der Zarin
kriegt er was zu hören. Robert Aschotowitsch hat immer gesagt: › Wenn jemand nett zu euch ist, seid nett zu ihm; aber wenn euch einer beleidigt, zahlt es ihm heim. ‹ Er hat uns sogar so ein Lied vorgesungen, es war sein Lieblingslied.«
Und Miranda sang mit kristallklarer Stimme:
»Bei jedem Misserfolg müsst ihr euch wehren, sonst könnt ihr niemals den Erfolg vermehren.«
Da kam das Auto des ersten Gastes schon im Hof vorgefahren.
»Auf in den Kampf«, sagte Nicholas und zwinkerte ihr zu.
»Mamma mia . . .«
Mira strebte mit steifem Gang zum Vorzimmer, wo schon der klangvolle, dem ganzen Land bekannte Bass des Regisseurs Oskar zu hören war, der sagte:
»Mein liebes Emirat! Mein liebes Inguschetien! Na, ihr Einsiedler, ihr altväterlichen Gutsbesitzer à la Gogol! Muss Mohammed mal wieder zum Berg kommen?! Und das Geburtstagskind, wo ist das?«
Nicholas sah vom Flur aus, wie der große alte Mann des Films seine Löwenmähne herunterbeugte und der sterbensblassen Miranda die Hand küsste. Neben ihm stand die umwerfende Madame Oskar und blickte mit einem großmütigen Lächeln auf die Anfängerin und – mit demselben Gesichtsausdruck – auf den festlich gestylten Agbar, der aufgeregt um Inga Sergejewnas Füße herumhüpfte und winselte.
»Warum hast du denn einen Frack angezogen, du Schmeichler?« Kuzenko schnippte aus Spaß eine nicht vorhandene Fluse von der Schulter des Regisseurs. »Ein Smoking hätte doch gereicht! Das Mädchen ist doch erst achtzehn.«
»Den habe ich nicht ihretwegen an. Ich war auf der Eröffnung des Festivals › Russische Mäzenaten ‹ . Ich brauche Kohle für den Film, das habe ich dir doch erzählt.«
»Und? Hast du was aufgetrieben?«
Der Regisseur winkte ab und sagte:
»Ich würde mich deutlicher ausdrücken, wenn hier nicht dieses zauberhafte Kind zugegen wäre. Das Festival hätte eher den Namen › Mäzenaten-Schmierdukaten ‹ verdient.«
Dem Preisträger von Cannes und Venedig platzte der Kragen, und er drückte sich äußerst energisch und höchst russisch aus, was Mira zusammenfahren und sich erschreckt nach Nicholas umblicken ließ. Der zuckte die Achseln und gab zu verstehen: Da kann man nichts machen, das ist offenbar in diesem Milieu so üblich.
Kuzenko brach in Lachen aus, forderte ihn mit einer Geste dazu auf, ins Wohnzimmer durchzugehen, wo Tische mit Wein und Horsd’œuvres standen, und legte den anderen Arm um Frau Oskar.
»Marusja, hast du auch nicht vergessen, dass du in fünf Wochen bei mir zum TÜV erscheinen musst?«
»Wenn ich etwas nicht vergesse, dann ist es das!«
Die Schöne drückte dem Hausherrn einen zärtlichen Kuss auf die Wange, aber da kamen schon neue Gäste die Treppe herauf -auch das solche, die das ganze Land kannte. Es war eine richtige VIP-Parade.
Als Erstes überreichte Maxim Kafkin, Moderator der Fernsehshow »Wie man eine Million stiehlt«, der überwältigten Mira einen Blumenstrauß. Kaum hatte sie sich gefasst, da schüttelte ihr schon der Kolumnist Michail Sokolow die Hand, einer der bekanntesten Journalisten, der die gute, alte regimetreue Gattung der Satire wiederbelebt hatte. Dann drückte die Parlaments-Salonlöwin Irina Origami dem armen Mädchen einen Kuss auf die Wange. Und als Nächstes kam schon, seideraschelnd und in eine Duftwolke gehüllt, die umwerfende Isabella Martschenko (Spitzname: die Sache Makropulos) angetanzt – Nicholas betrachtete die große Schauspielerin mit besonderem Interesse, denn er erinnerte sich daran, dass sie gegen die Zeitung »Eross« ein Gerichtsverfahren wegen übler Nachrede angestrengt hatte; der Grund war, dass die Redaktion der legendären Filmschauspielerin zur Volljährigkeit ihres Urenkels gratuliert hatte.
Miranda machte eine glänzende Figur: graziös nahm sie die Geschenke an, packte sie aus, gab liebenswürdig ihrer Begeisterung Ausdruck und errötete sogar. Fragen beantwortete sie leise, aber nicht schüchtern; manchmal begnügte sie sich auch nur mit einem Lächeln, was schon an sich ein Hochgenuss war.
Fandorins Sorgen um seinen Zögling hatten sich gelegt, und er ging in den Salon, wo ein Jazzsextett die Themen klassischer Schnulzen aus Donizetti- und Bellini-Opern variierte. Er konnte jetzt auch einmal an sich denken.
Er hatte eine merkwürdige Vorahnung: Heute würde endlich etwas geschehen. Die Ruhe konnte doch nicht ewig anhalten. Wie lange kann man denn den Hals recken und den Himmel anstarren, um zu erfahren, wann sich die Gewitterwolke endlich
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