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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Vater leicht gegen die Brust, so dass der zurückwich und auf das Bett fiel. »Nur deshalb kann ich dich am Leben lassen. Und nicht nur das, sondern ich werde dich in Höhen heben, von denen du noch nicht einmal träumen kannst. Ich weiß, der Gipfel deiner Träume ist es, die Lüsternheit einer halbtoten Alten zu befriedigen. Ich kann dir viel mehr geben. Ich brauche einen Helfer, dem ich vertrauen kann. Anonymität ist in vielerlei Hinsicht nützlich, aber manchmal auch sehr hinderlich. Gewöhnlichen Dienern kannst du nicht alles anvertrauen – die Gefahr, dass du dich verrätst, ist zu groß . . .«
    »Ich verstehe trotzdem nichts«, stammelte Alexej Woinowitsch.
    »Das ist ja das Gute. Ich brauche keinen Schlaukopf; da handele ich mir nur Verrat oder unnötige Komplikationen ein. Du wirst dich mit der Rolle des ausführenden Organs begnügen, durch das ich die Dinge in Bewegung setze. Du wirst der Einzige unter den Lebenden sein, der von den Zeichen weiß, und schon allein das erhebt dich über alle anderen.«
    »Vater, hört nicht auf ihn, er lügt!«, schrie Mitja, damit sein Vater sich nicht umgarnen ließ. »Ihr seid nicht der Einzige, der von den Zeichen an seinem Körper weiß! Auch Martin weiß davon, der taube Exekutor! Maslow lügt, und auch alles andere ist gelogen, er führt Euch an der Nase herum!«
    Der Geheimrat blickte auf Mitja und lächelte.
    »Armer Martin der Beichtvater. Er ist gestorben, Mitja. Noch am selben Abend, da Pikin sich unserem Verhör entzog. Martin hat Wodka getrunken, der ihm ganz und gar nicht bekommen ist. Wenn er nicht nur taub, sondern auch stumm gewesen wäre, dann wäre das ja noch angegangen. Aber so war nichts zu machen, das verstehst du doch. Du bist ja klug. Du hast ja verstanden, dass du an jenem Abend besser nicht nach Hause zurückläufst, sondern bist aus Petersburg geflohen.«
    Das war es also, was ihm am meisten Angst eingejagt hatte, wurde Mithridates klar. Dass ich an jenem Abend verschwand. Er wusste nichts von der Vertreibung aus dem Paradies! Woher auch? Er meint, ich habe alles durchschaut und sei vor ihm, dem Großen Magier, geflohen. Dann hat mir Pikin also damals das Leben gerettet, als er mich aus dem Fenster warf?
    »Ich bin kein Unmensch, aber ich trage eine große Verantwortung«, fuhr Prochor Iwanowitsch fort. »Viele Menschen glauben an mich. Solche, denen dein Vater nicht das Wasser reichen kann: illustre Köpfe, wahre Wohltäter des Vaterlandes. Ich habe sie alle einzeln ausgesucht, wie die Perlen einer Kette. Wenn wir uns an die Arbeit machen, biegen sich die Berge, und die Flüsse fließen rückwärts. Und da kommst du daher. Ich kenne die Menschen gut, ich habe sie in meiner langen Dienstzeit studiert. Du hast das Talent, aus einer Zahl die Wurzel zu ziehen; ich beherrsche dieselbe Kunst bei den Menschen, ich sehe ihre Wurzeln und durchschaue jeden durch und durch. Auch dich. Dein Kopf arbeitet flink, aber du bist nicht weise. Und wirst es auch nie sein, weil du eine schwache Seele hast. Dein Makel ist das, was man, um es zu beschönigen, Mitleid nennt. Du bist zu unbedingtem Gehorsam unfähig. Du kannst eine große Sache zu Fall bringen. Überleg einmal selber: Kann man dich leben lassen? Nein, auf keinen Fall.«
    Da der Geheimrat, als er dies sagte, Mitja anschaute und nicht Vater mit seinem magnetischen Blick fixierte, löste sich Alexej Woinowitsch allmählich aus der Erstarrung und fasste sich.
    »Meine Gedanken kommen nicht mit Euren Reden mit«, rief er aus, lief zu seinem Sohn und umarmte ihn, »aber ich sehe, ihr wollt den Tod von Mithridates. Erbarmt Euch des Kindes! Oder schlagt uns alle beide tot!«
    So sprach er und riss sein Hemd auf, so dass er mit entblößter Brust dastand. So schön wie in diesem Augenblick war Vater noch nie!
    »Das musst du selber wissen. Ob ich einen oder zwei umlege, ist für mich kein Unterschied. Aber stell dich nicht dümmer an, als ich es von dir annehme. Es ist besser, einen Teil zu verlieren als alles. Du hast ja schließlich noch einen anderen Sohn. Also entscheide dich, Karpow. Ich habe keine Zeit für Theaterspiele. Wenn du sterben willst, bitte. Wenn du leben willst, dann fährst du mit mir nach Petersburg. Deine Frau und den älteren Sohn kannst du mitnehmen. Für den Anfang verleihe ich dir den Rang eines Staatsrates und als Andenken an den Zögling der Zarin schenke ich dir tausend Leibeigene. Zum Trost. Aber das ist noch gar nichts. Bald wird ein Ereignis eintreten, nach dem mein Helfer

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