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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Bruder mit seinem kleinen Schwesterchen. Max und Nicholas machten einen weniger idyllischen Eindruck: zwei untergehakte Männer, jeder mit einem Handy am Ohr. Fandorin hörte, wie in einer Schar ihnen entgegenkommender Passanten ein paar Jugendliche tuschelten: »Guck mal, guck mal: zwei Schwule.«
    ». . . Der Vorsitzende verliest die Bedingungen für die Versteigerung«, meldete Igors gelangweilte Stimme. »Das dauert sechs, sieben Minuten. Ist bei euch alles in Ordnung?«
    »Ja, ja.«
    Von Max wurde offenbar ebenfalls erwartet, dass er seiner Chefin akustische Signale übermittelte. Doch er beschränkte sich darauf, von Zeit zu Zeit etwas Unverständliches in den Hörer zu brummein.
    So gingen sie also durch den Vorort der Hauptstadt. Der Morgen war novemberlich frisch und hell; es war nur ein wenig kalt, ohne die Wattedecke der Wolken fror die Erde.
    »Kimrinskaja Uliza, wo ist die?«, fragte Mira und drehte sich um.
    Fandorin wurde von der Sonne geblendet und blinzelte nach dem Schild, auf das sein ungezogener Zögling mit dem Finger zeigte. Achselzuckend antwortete er:
    »Moskau ist groß.«
    »Was?«, fragte Kuzenkos Sekretär erstaunt. »Wie meinen Sie das?«
    Max warnte:
    »Wehe, Sie nennen den Ort.«
    »Ich habe mit Mira gesprochen«, sagte Nicholas zu dem Sekretär, nickte dem Bewacher beruhigend zu und antwortete Mira:
    »Ich höre von der zum ersten Mal.«
    »Und so was will ein Moskauer sein«, sagte sie enttäuscht und trippelte schnell weiter, denn Plattnase zog sie am Arm, um sie am Stehenbleiben zu hindern.
    »Mit den Bedingungen sind sie durch«, meldete Igor. »Es folgt die Vorstellung der Teilnehmer an der Auktion . . . Der Erste ist Mirat Leninowitsch . . . Ist bei euch alles in Ordnung?«
    »Ja«, antwortete Fandorin, der Mira beobachtete.
    Was für starke Nerven das Mädchen doch hatte! Oder entsprach ihr Verhalten einfach dem normalen kindlichen Optimismus?
    Es schien, als genieße Mira diesen lebensgefährlichen Spaziergang. Sie drehte den Kopf in alle Richtungen und plapperte vor sich hin. Als sie versuchte, ein Gespräch mit der sturen Plattnase anzufangen, aber keine Antwort bekam, wandte sie sich an Nicki:
    »Das hier soll Moskau sein? Das sieht ja genauso aus wie das Zentrum von Krasnokommunarsk! Ich habe gedacht, Moskau, das sind solche engen Gassen, wo es statt Asphalt Kopfsteinpflaster gibt und von Läden wimmelt. Und jede Kleinigkeit, und sei sie noch so klitzeklein, kostet mehr als das Gehalt von Robert Aschotowitsch.«
    Ins andere Ohr leierte ihm der fade Igor:
    ». . . Der Vertreter der Geschlossenen Aktiengesellschaft › Medprogress ‹ hat seine Vorstellung beendet, der Nächste ist Jastykow. Dann kommt noch › Petropharm ‹ , und dann ist Schluss. Danach beginnt die Auktion. Wie sieht es bei euch aus? Alles in Ordnung?«
    »Ja.«
    »Was?«, fragte Max auf einmal seinen unsichtbaren Gesprächspartner (genauer: seine Gesprächspartnerin). Seine Stimme klang etwas lauter als vorher. »Habe ich richtig verstanden? . . . Alles klar.«
    ». . . Ich habe gesagt, sie soll mir keinen Schal für dreihundertfünfzig Dollar kaufen, aber Inga hat gesagt, du wirst dich schon daran gewöhnen«, plapperte Mira. »Ich habe gedacht, in Moskau gibt es keine anderen Preise, aber gucken Sie mal: Da in dem Kiosk hängt fast der gleiche Schal, aber der kostet nur fünfundfünfzig Rubel.«
    Max steckte das Handy in die Hosentasche. Was mochte das heißen?
    »Was ist los?«, fragte Nicholas.
    »Wie?«, fragte Igor.
    »Alles in Ordnung«, antwortete Max und tippte Plattnase auf die Schulter. »Sechs sechzehn.«
    Er steckte wieder die Hand in die Tasche.
    »Einen Augenblick«, sagte Nicholas schnell in den Hörer. »Hier ist irgendetwas . . .«
    Er sah, wie Plattnase Mira an sich zog, in seiner rechten Hand blitzte etwas Metallisches. Nicki wollte schreien, aber in diesem Moment stach ihn etwas in den Hals.
    Die Kimrinskaja Uliza mit den schmutzig grauen Häuserblöcken geriet ins Schwanken, Fandorin schlug die Hände zusammen, um sich an ihrer rutschigen Oberfläche festhalten zu können, warf den Kopf in den Nacken, und die Sonne schoss ihm mit dem Zielfeuer ihrer unbarmherzigen Strahlen direkt ins Hirn.
    Der Magister kniff die Augen zu und stürzte in die Dunkelheit.
    Er kam auf einen Schlag wieder zu Bewusstsein, ohne irgendwelche Vorwehen. Nicholas hörte ein regelmäßiges Klopfen, öffnete die Augen, sah eine weiße Decke, die einen Riss hatte, und setzte sich mit einem Ruck auf.
    Von der

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