Der Favorit der Zarin
Nacken. Da stimmte etwas nicht.
Wie soll so ein Prochor Iwanowitsch, Sohn eines Sattlers, denn überhaupt an die Macht über das Russische Reich kommen können?
Doch, das geht.
Er setzt statt seiner eigenen Person eine Puppe auf den Thron und zieht dann an den Fäden.
Die Puppe war schon da: der Thronfolger. War der nicht auch schon Mitglied im »Mitternachtsstern« gewesen, aus dem der Große Magier seine neuen Mitglieder rekrutiert hatte? Die Kaiserin hatte befohlen, die Freimaurerlogen zu verlassen. Der Sohn gehorchte brav und ging. Zu anderen Freimaurern, die sehr viel geheimer als die Vorgänger waren.
Jetzt war klar, warum der Italiener gesagt hatte, Maslow setzt auf den Thronfolger. Auf wen sollte er denn sonst setzen?
Dann hätte er die absolute Macht. Die Satanophagen ordnen sich ja ihrem Anführer blind unter, ohne eine Diskussion.
Der Thronfolger kann eine beliebig hohe Stellung im Orden haben, er kann Faustbruder oder sogar Mitglied des Ordenskapitels sein, das ändert überhaupt nichts. Trotzdem ist der Befehl des unbekannten Magiers für Seine Majestät das Wort Gottes. Was der Magier sagt, hat der Thronfolger zu tun, im Namen der Gerechtigkeit und des Guten.
Wenn der Thronfolger sich krönen lässt, wird er sich mit Sicherheit Herrn Maslow als Berater nehmen – er ist der einzige Höfling, der dem in Ungnade gefallenen Prinz mit Ehrerbietung begegnet. Und dann wird der neue Zar in einem doppelten Netz gefangen sein.
Angenommen, er bekommt vom Großen Magier eine Depesche mit einer unglaublichen, der Vernunft widersprechenden Vorschrift. Nun, sagen wir, er soll die russische Armee die Alpen stürmen oder Indien erobern lassen. Egal, was du für ein Gehorsamsgelübde abgelegt hast, werden dir da Zweifel kommen. Also ruft der Kaiser seinen treuen Ratgeber Maslow zu sich und fragt ihn: Was hältst du davon? Der antwortet prompt: Das ist eine hervorragende Idee, Eure Majestät! Und begründet das auch noch.
Gibt es ein perfekteres Puppenspiel?
Das ist auch der Grund, warum Maslow nicht damit warten kann, den Favoriten auszuschalten! Es geht gar nicht um Surow, sondern um die mögliche Inthronisierung Seiner Durchlaucht des Enkels. Sollte das geschehen, wäre es aus mit allen Projekten des Großen Magiers!
Aber . . . aber früher oder später würde es ohnehin dazu kommen. Was hatte Maslow für Hintergedanken? Katharina verachtete ihren Sohn und dachte nicht daran, ihm das Szepter zu übergeben. Wenn sie plötzlich stürbe, ohne ihr Testament veröffentlicht zu haben, ja, das wäre etwas anderes.
Und Mitja bekam Mitleid mit der armen dicken Alten. Alle Menschen, die ihr nahe standen, wünschten ihr den Tod, der einzige Unterschied war, dass die Partei des Enkels wollte, dass er langsam eintrat, während die Partei des Sohnes auf einen schnellen Tod drängte.
Erstere, angeführt von dem hinterhältigen Jeremej Umbertowitsch, hätte fast ihr Ziel erreicht. Nur die Vorsehung, der Ritter Mithridates und die tote Adelaida Iwanowna hatten das verhindert.
Wie sie umgefallen war, die Gute, ohne noch einmal kläffen zu können! Ein unschuldiges Opfer menschlicher Leidenschaften. Oh!
Und Mitjas Gedanken stürmten noch rascher dahin.
Warum hatte sich die Windhündin sofort, nachdem sie an der Weinlache genippt hatte, in Krämpfen gewunden? Das Gift des Italieners sollte doch langsam wirken. Adelaida Iwanowna hätte massig Zeit haben müssen, um ordentlich kläffen und winseln zu können! Das war das Merkwürdige, das Daniel sofort aufgefallen war, als er die Erzählung von dem Vergiftungsversuch hörte.
Was hieß das? Die göttliche »Feliza« wäre ebenfalls mit Stummheit geschlagen gewesen und hätte in Krämpfen ihren Geist aufgegeben? Da hätte sich der Sekretär ja eine schöne Verschwörung ausgedacht, wenn statt des Enkels der Sohn auf den Thron gekommen wäre! Das sah eher nach einem Geschenk für Maslow aus!
Und wenn es nun gar kein Geschenk war?
Prochor Iwanowitsch hatte sich nicht sonderlich gewundert, als Mitja ihm von dem mitgehörten Gespräch erzählte. Er hatte eher mit Freude darauf reagiert, dass er einen Zeugen hatte und er nun den Hauptmann Pikin in die Mangel nehmen konnte. Ob der allmächtige Geheimdienstchef schon von dem Komplott gewusst hatte? Seine Spione waren überall, da konnten sie doch nicht ausgerechnet in Surows Zimmern fehlen.
Was, wenn er ein Ding ganz nach seinem Herzen gedreht hätte? Nämlich die eine Verwechslung für eine zweite genutzt hatte? Pikin hatte
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