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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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alles bekommen kann, was er will, einen Grafentitel oder ein Ministerium, egal was. Du brauchst mir nur treu zu dienen, ohne Doppelzüngigkeit.«
    »Den Titel eines Grafen?«, fragte Alexej Woinowitsch ungläubig nach. »Ein Ministerium?«
    Und war auf einmal nicht mehr schön.
    »Ja. Oder den Tod. Das kannst du dir aussuchen.«
    Vater drückte immer noch seinen Sohn an sich, aber irgendwie zerstreut, ohne die Leidenschaft von vorher.
    »Aber . . . aber was soll ich meiner Gattin sagen, die dieses Kind in Qualen geboren hat?«
    Er maß Mitja mit einem ängstlich prüfenden Blick vom Scheitel bis zur Sohle, als handele es sich nicht um einen Lebenden, sondern um einen Toten.
    Maslow wiegelte ab:
    »Wie ich deine Frau kenne, kann man ihr alles Mögliche erzählen. In einem Monat wird sie sich schon nicht mehr daran erinnern, dass sie zwei Söhne und nicht nur einen hatte. Deine Aglaja wird in Sankt Petersburg alle Hände voll zu tun haben.«
    Über das Gesicht von Karpow senior ergoss sich ein Strom von Tränen.
    »Gott ist mein Zeuge, ich habe mich um dich gekümmert wie der zärtlichste Vater, aber was kann ich da noch tun?«, sagte er schluchzend und umarmte seinen Sohn. »Du hast ja gehört, Seine Exzellenz sagt, du bist sowieso zum Tode verurteilt. Sei also nicht zu hart und zerreiß mir nicht das Herz. Denk an deine Mutter, deinen Bruder und nicht zuletzt an deinen dich liebenden Vater!«
    Da wurde Mitja klar, dass er wirklich zum Tode verurteilt war, endgültig und unwiderruflich. Und er brach in Tränen aus. Aber nicht aus Angst, sondern vor unsäglicher Traurigkeit.
    Vater löste seine Umarmung und trat einen Schritt zur Seite. Er streckte vorsichtig die Hand aus und strich seinem Sohn über den Kopf.
    »Armes Kind! Dich trifft keine Schuld! Wie heißt es doch so richtig: Frühreifen Begabungen ist kein langes Leben beschieden. Weine nur, weine! Ach, wie wenig ist unser Verstand imstande, die von Fortuna bereiteten Schläge von uns abzuwenden, und noch viel weniger, uns zu trösten!«

EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    SONNENSTICH
    (Bunin, 1927)
    »Trösten Sie sich damit, dass alles bald vorbei ist«, flüsterte Max, woraus Nicholas entnahm, dass er blass und angegriffen aussah.
    Das Kommando, das Zimmer zu verlassen, war erst vor einer Minute erfolgt. Beide Handys hatten gleichzeitig geklingelt, das von Max und das von Fandorin.
    »Hier hat es eine Verzögerung gegeben«, ließ sich Igors weiche, gedämpfte Stimme im Hörer vernehmen. »Der Vorsitzende der Kommission hat sich verspätet. Jetzt ist alles klar. Also los. Nehmt das Handy nicht vom Ohr. Ich habe Jastykows Assistentin vorgewarnt: Wenn die Verbindung abreißt, egal warum, von mir auch aus technischen Gründen, dann heißt das: Die Absprache ist ungültig. Macht euch also die ganze Zeit bemerkbar, ich halte euch über den Stand der Auktion auf dem Laufenden.«
    Die »Verzögerung« war nicht zu knapp gewesen – fast eine halbe Stunde. Mit jeder Minute wuchs die Spannung in der Diele, wo die Geiseln und die Bewachung auf das Signal warteten.
    Jeanne war nicht da, sie begleitete ihren Boss und leitete die Operation per Telefon. Um Nicholas und Miranda kümmerten sich zwei alte Bekannte: Max und Plattnase. Anfangs wertete Fandorin die geringe Anzahl des Bewachungspersonals als gutes Zeichen, aber je mehr sich die Warterei in die Länge zog, drängte sich eine andere ungute Version auf: Als Bewachung hätte man viele Leute gebraucht, als Killer dagegen reichten zwei Männer völlig aus. So gut er konnte, lächelte der Magister Mira an, ja zwinkerte ihr sogar zu, um ihr zu suggerieren, alles läuft gut und nach Plan; er selbst machte sich aber schon auf das Schlimmste gefasst.
    Als die Telefone endlich schrillten, hätte Nicholas fast vor Erleichterung aufgeschrien.
    Sie gingen sofort los und traten auf die sonnenbeschienene Treppe: vorneweg Plattnase, der Mira am Ellenbogen hielt, dann Max mit Fandorin in derselben Haltung.
    Das war der Augenblick, in dem der Bewacher von Nicholas die überraschenden Worte des Trostes geflüstert hatte. Er fuhr fort:
    »Wir gehen langsam, und bitte keine Eigenmächtigkeiten. Machen Sie sich klar, dass das Leben des Mädchens in Ihrer Hand ist. Ich habe die Anweisung: Wenn etwas dazwischenkommt, ist sie als Erste dran.«
    Sie gingen in Zweiergruppen im Spazierschritt, begleitet von einem sich langsam an der Bürgersteigkante vorwärts schiebenden Jeep. Plattnase hielt Mira an der Hand, sie sahen von hinten aus wie ein großer

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