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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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sondern holte sein Handy aus der Tasche und drückte auf einen Knopf. Es war ein teures, teurer als das bescheidene von Siemens, das Nicki hatte.
    Ein korrupter Milizionär, schloss Fandorin, dem der dreiste Beamte überhaupt nicht gefiel. Man wusste ja, wie niedrig das Gehalt der Milizionäre war, davon konnte man sich so ein Telefon nicht kaufen. Entweder er nimmt Bestechungsgelder oder er kassiert Schutzgeld, das kann sich jeder Fernsehzuschauer zusammenreimen.
    »Hallo, Mischa?«, sagte Wolf und wandte sich ab. »Ich bin’s, der böse Wolf. Na, was ist mit eurer Leiche? . . . Alles klar. Und besondere Kennzeichen, Fehlanzeige? . . . Klar . . . Verdammt noch mal, geh selber hin, ich bin doch nicht euer Laufbursche . . . Ja, ich habe hier noch zu tun . . . Ja, bei diesem, bei dem Kandidaten.« Dabei drehte er sich kurz zu Nicholas um, und der begriff, dass er mit dem Kandidaten gemeint war. Aus unerfindlichen Gründen bekam er von diesem harmlosen Wort eine Gänsehaut. »Wenn ich fertig bin, melde ich mich . . . Ja, klar, bis dann.«
    Der Hauptmann deutete mit seinem runden Kopf zu den Seiten und fragte:
    »Sie haben sicher ein Landhaus? Das hier ist ja wohl nur Ihre Stadtwohnung, die Sie gemeldet haben?«
    »Wie kommen Sie denn da drauf?«, fragte Fandorin verwundert. »Nein, ich wohne hier. Ich habe kein Haus auf dem Land.«
    Diese Information erstaunte den Fahndungsleiter aus irgendeinem Grund. Er steuerte entschlossen die Tür zum Arbeitszimmer an und steckte seine Nase auch da hinein – er hatte nicht die mindesten Skrupel.
    »Hören Sie mal, Herr Hauptmann Sergej Nikolajewitsch Wolf von der Abteilung sechzehn«, begann Nicki streng, der dem unverschämten Kerl einen Denkzettel verpassen wollte, aber der Milizionär wandte sich ihm zu, drohte listig mit dem Finger und sagte seufzend:
    »Eine mickerige Wohnung. Das haut nicht hin.«
    Nicholas wunderte sich. Nach Moskauer Begriffen war das absolut keine Wohnung, die man als »mickerig« bezeichnen würde. Sie war zweihundert Quadratmeter groß und lag in einem alten, vollständig sanierten Haus mit hohen Decken; sie hatte seinerzeit einen erheblichen Teil des englischen Erbes verschlungen. Damals schien das ein Luxus zu sein. Aber angesichts der folgenden Wirtschaftskrise war die Wohnung die einzige vernünftige Investition gewesen.
    »Was haut nicht hin?«
    »Die Verdachtsmomente. Keine Marmorausstattung, Perserteppiche: nicht vorhanden, Kristallglas und Bronze: Fehlanzeige. Oder sind Sie etwa ein Untergrundmillionär? Wie Bürger Korejko in der Sowjetbibel › Das goldene Kalb ‹ ?«
    »Wie bitte, wer bitte?«, fragte Fandorin ahnungslos, denn Daddy Sir Alexander hatte ihm in seiner britischen Kindheit nicht erlaubt, die sowjetische Klassik zu lesen. »Was fällt Ihnen eigentlich ein? Sie sind in eine Privatwohnung eingedrungen und schnüffeln überall herum! Was wollen Sie eigentlich?«
    Der Milizionär nahm zwei Stühle und stellte sie so auf, dass sie sich gegenüberstanden. Er setzte sich und lud den Hausherrn mit einer Geste ein, ebenfalls Platz zu nehmen.
    »Sag mal lieber schön die Wahrheit«, sagte er streng. »Das ist zu Ihrem eigenen Vorteil. Hast du meinen Dienstausweis gesehen? Ich bin aus der Abteilung sechzehn. Das ist die Abteilung zur Aufdeckung von so genannten Resonanz-Morden, kapiert? Ich bin nicht vom Raubdezernat und nicht vom Finanzamt. Mit Taschendieben beschäftigen sich andere. Packen Sie aus, Nikolaj Alexandrowitsch, und sagen Sie, wie Sie Ihre Kohle machen. Mein Ehrenwort, Sergej Wolf petzt nicht. Ich kann diese blutrünstigen Wanzen ja selber nicht ausstehen . . . Ich werde dir jetzt etwas zeigen, wonach du aufhören wirst, dich zu zieren wie ein Fräulein beim Gynäkologen.«
    Nicholas runzelte die Stirn. Der Vergleich des Hauptmanns Wolf gefiel ihm ebenso wenig wie sein wildes Hin- und Hergespringe vom Sie zum Du. Aber von dem unverständlichen Gerede des Kriminalbeamten wurde Fandorin immer mulmiger zumute. Es hatte den Anschein, als braue sich da irgendeine trübe und unangenehme Geschichte zusammen.
    »Kann die Unterhaltung nicht bis morgen warten?«
    Er schielte nach der Tür zum Kinderzimmer. Erast und Gelja warteten wahrscheinlich sehnsüchtig auf die Fortsetzung des Märchens. Er hätte den Hauptmann mit seinem unverständlichen Gefasel und den unheilverkündenden Andeutungen zu gerne zum Teufel geschickt und wäre in die klare, lichte Welt zurückgekehrt, wo es nichts Schrecklicheres als den bösen Wolf gibt und wo das

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