Der Favorit der Zarin
Zarin auf.
Pawlina Anikitischna war vom Singen noch röter geworden, ihre Augen strahlten, aber die Wimpern zügelten diese Flamme, indem sie bescheidene Schatten warfen. Die Schöne blickte niemanden an; den Blick gesenkt, lauschte sie Katharinas Worten.
»Dein lieber Freund ist fortgeflogen, ja, das ist er«, sagte die Kaiserin zärtlich zu ihr. »Und das nicht für lange, sondern für immer, er kommt nicht zurück. Du hast geweint, du hast getrauert, nun ist es gut. Du kannst dich doch nicht lebendig begraben! Schluss mit den Dummheiten! Später, wenn du alt bist, wirst du dich ärgern. Meine Schwägerin will jeder haben, du kannst dir einen beliebigen Bräutigam aussuchen. Und wenn du nicht heiraten willst«, Katharina beugte sich zu dem bescheidenen Weib und flüsterte ihr mit verschmitztem Lächeln zu: ». . . dann schaff dir einen Herzensfreund an. Da wird keiner etwas gegen haben, du bist ja schon seit fünf Jahren Witwe.«
Schrecklich, wie Leid ihm die große Monarchin nun tat. Die Arme wusste ja nicht, was für eine Schlange sie am Busen nährte. Sancta simplicitas, nun beförderte sie auch noch selbst den bösen Plan dieses Unholds. Die Schöne würde den Rat bedenken, sich die Sache mit dem Herzensfreund überlegen, und ausgerechnet in diesem Augenblick traf bei Psyche der Bote von Amor ein.
»Danke für Eure gütige Teilnahme, Eure Majestät«, sagte die Gräfin leise. »Aber ich brauche niemanden. Wenn Ihr doch nur meine alte Bitte erfüllen und mich aufs Land ziehen lassen würdet, ich wäre ganz . . .«
»Kommt überhaupt nicht in Frage!«, protestierte Katharina und schlug dem schönen Weib zornig mit dem Fächer auf die Finger. »Ich unterstütze diese Dummheiten nicht! Ihr werdet mir später noch dankbar sein, gnädiges Fräulein!«
Mitja sah, wie sich unter den zarten Wimpern von Pawlina Anikitischna zwei Kristalltränchen lösten; ihm standen selber die Tränen in den Augen.
Nein, er konnte nicht bei der Untat des Favoriten mitmachen.
Er lief in die Eingangshalle, wo die zu spät gekommenen Gäste ihre Pelze ablegten. Dann ging er die Treppe hoch auf die Galerie. Da war es gemütlich und dunkel. Mitja war müde von dem Licht. Warum hatte Vater nur so nach diesem Paradies gelechzt? Was war daran denn gut? Selbst einen Siebenjährigen können sie nicht in Ruhe lassen.
Er kletterte auf das breite Fensterbrett und presste seine glühende Stirn an die kühle Scheibe. Unten brannten Fackeln und bunte Lampions, Kutschen fuhren vor und entfernten sich, die eisigen Stacheln des wunderbaren Igels funkelten.
Mitja sprang auf den Boden und ging traurig und nachdenklich durch die menschenleere Galerie.
Nein, sie war absolut nicht menschenleer, wie sich herausstellte!
Aus der nächsten Fensternische hörte er jemand rascheln, flüstern und hecheln.
Ein Kavalier und seine Dame hatten es sich auf dem Fensterbrett bequem gemacht und tauschten Zärtlichkeiten aus.
»Vorsicht!«, piepste ein Weiberstimmchen. »Da ist jemand!«
Da raschelten die Seidenröcke, und ein Fräulein in einem reichlich zerknautschten und zerrissenen Pfifferling-Kostüm sprang zu Boden. Sie schrie auf, schlug die Hände vors Gesicht und rannte weg. Aber Mitja hatte sie trotzdem erkannt: Es war eins der Kammerfräulein, wie hieß sie noch gleich, es war so ein baltischer Name.
Dann sprang der Kavalier auf den Boden, trampelte mit seinen Stiefeln, zog den Gürtel fest und drehte sich um.
Pikin! In Uniform, mit Degen – er war offenbar direkt vom Dienst gekommen.
Das war zu viel des Guten. Was für ein Unglückstag!
Mitja zitterte am ganzen Körper und wich zurück, aber es war zu spät.
»Donnerwetter«, sagte der Hauptmann erfreut und streckte seinen langen Arm aus. »Einem guten Jäger läuft die Beute direkt in die Arme.«
Weiter sagte er nichts, packte den Waldschrat am Gürtel, warf ihn mit einem Ruck auf das Fensterbrett und stieß ihn mit Macht gegen den Fensterrahmen! Von draußen drang eine eisige Brise herein und Schneegestöber.
»Onkel Pikin, lasst los!«, winselte Mithridates wie ein kleiner Hund. »Was habe ich Euch denn getan?«
»Bisher noch nichts, du Spatz, aber bald wirst du mir einen großen Dienst erweisen«, teilte ihm der Leibgardist fröhlich mit und stellte sich mit den Füßen auf das Fensterbrett. »Ich habe es dir zu verdanken, wenn ich die Hälfte meiner Schulden begleichen kann.«
Er machte das Fenster weit auf, packte sein Opfer fester und schwang es hin und her.
»Sie werden es
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