Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
wirst; am nächsten Tag ist dann alles anders: Die Jäger, die dich gehetzt haben, sind selber angekettet.«
    »Da habt Ihr aber eine hochinteressante Allegorie angeführt, Herr Hauptmann.« Maslow hielt den Hauptmann am Ärmel und führte ihn zu dem Sessel. »Setzt Euch, wir müssen uns unterhalten.«
    Der Leibgardist verneigte sich und sagte:
    »Danke. Aber in Gegenwart einer so hochgestellten Person wage ich es kaum, mich zu setzen.«
    »Ich setze mich ebenfalls. Bitte möglichst ohne Umstände. Ihr seht ja selber, dass ich Euch nicht im Arbeitszimmer, sondern in meinem Wohnzimmer empfange. Ihr seid also mein Gast. Zumindest vorläufig.«
    Die letzten Worte waren in einem ganz anderen Ton gesprochen, und Prochor Iwanowitschs Brauen hoben sich drohend. Aber auch das machte auf Pikin nicht den geringsten Eindruck.
    »Und doch würde ich mit Eurer Erlaubnis gern stehen bleiben«, sagte er grinsend. »Ich hocke ja im Moment dauernd in der Wachstube und sitze mir den Hintern wund.«
    »Nein, Ihr setzt Euch, das ist zu viel der Ehre!«
    Wie es ein Gastgeber macht, der vor Freude nicht aus noch ein weiß, packte Maslow den Preobrashenzen an beiden Armen und wollte ihn mit Gewalt hinsetzen.
    Na, deinen wunden Hintern, den werden sie dir jetzt schön weich klopfen, dachte Mitja schadenfroh. Du wirst schon sehen, was es heißt, Kronleuchter auf Leute herabstürzen zu lassen und Kinder in Brunnen zu werfen.
    Doch der hartnäckige Hauptmann wollte sich nicht setzen, und so führten Prochor Iwanowitsch und Pikin einen merkwürdigen Tanz auf, stampften herum und drehten sich auf der Stelle.
    Plötzlich packte Pikin den Alten unter den Achseln und warf ihn in den weichen Sessel.
    »Setz dich doch selber hin, du alter Teufel! Ich kenne deine Tricks! Mitja Drubezkoj hat mir erzählt, wie du es ihm ausgetrieben hast, über die Zarin zu tratschen!«
    Maslow wollte aufstehen, aber der unerschrockene Hauptmann hinderte ihn mit einem Schlag seiner Faust gegen die Stirn – Exzellenz landeten wieder im Sessel.
    Wie sollte das nur enden? Mitja sah die beiden von der Seite: den breit grinsenden Pikin und den verwirrten Geheimrat.
    »Dir verpass ich einen Denkzettel«, sagte der Leibgardist und suchte nach den Riemen, die hinter der Rückenlehne des Sessels versteckt waren. »So, Eure Exzellenz. Und nun dero Beinchen . . . Wo ist er denn, der Mechanismus, verdammt noch mal? Er müsste doch hier sein.«
    Er ging zu dem Holzstuhl, ruckelte an verschiedenen Stellen und fand schließlich den Hebel.
    Ratsch! Über der Brust von Prochor Iwanowitsch schlossen sich die stählernen Metallstäbe.
    Zack! Der Sessel glitt langsam unter den Boden.
    Da begriff Mitja endlich, wie es weitergehen könnte. Martin würde ja nicht verstehen, was für einen Braten er da vor sich hatte. Wenn er sich nun an die Arbeit machte?!
    »Hiermit verabschiede ich mich als ergebener Diener Eurer Exzellenz«, sagte Pikin ironisch zu dem Bewusstlosen. »Ich wage es nicht, Euch weiter mit meiner Gegenwart zu belästigen. Der Dienst ruft.«
    Und er drehte sich auf dem Absatz um und rannte mit schallendem Gelächter fort, dieser tollkühne Bursche.
    Von unten hörte man etwas pfeifen und klatschen, und Prochor Iwanowitsch kam auf einmal zu sich.
    »Auuu!«, stieß er gellend aus. »Martin, du Schwein, ich komme ja um!«
    Wieder hörte man ein Pfeifen.
    Nun brüllte der Chef der Expedition nicht mehr, der Schrei blieb ihm im Halse stecken.
    Was für ein Unglück! Martin war ja taub. Da ist es egal, ob du schreist oder nicht.
    Mitja stürzte aus seinem Versteck und lief die Wendeltreppe hinunter. Das Gestöhne wurde leiser.
    Als er in dem finsteren Keller ankam, sah er gerade noch, wie Martin der Beichtvater lustvoll ausholend dem weißen Hintern einen roten Striemen aufbrannte. Der gepeinigte Körperteil hing in dem Loch des Sessels und war in Gänze zu sehen.
    »Onkel Martin«, flehte Mitja und umklammerte die sehnige Hand des Folterknechts, »lass das! Das ist doch Prochor Iwanowitsch!«
    Der Exekutor blickte sich nach ihm um.
    »Ach, du bist es, das Enkelchen. Schau ihn dir mal an, den Schamlosen«, sagte Martin und lachte dabei merkwürdig glucksend. »Das ist mir vielleicht ein Lüstling!«
    Der Finger des Peitschenschwingers zeigte auf den Steiß seiner Exzellenz. Über der ausgepeitschten Stelle, wo das Steißbein ist, war ein kleines Bild zu sehen: eine rote Blume, die aussah wie eine Gänseblume.
    »Das ist jetzt so eine Mode bei diesen geilen Böcken«, erklärte

Weitere Kostenlose Bücher