Der Favorit der Zarin
Ansonsten war das Kostüm recht primitiv und bäurisch: Bastschuhe, Plisshosen, weißes Wams mit Gürtel. In der Hand musste er einen Lärchenzweig halten, mit dem er allen Entgegenkommenden drohen sollte; ja er sollte sie sogar damit schlagen, die Nadeln waren weich und machten keine Kratzer.
Natürlich schlug er niemand und ließ bald gleichsam unabsichtlich den Zweig auf den Boden fallen. Er spazierte zwischen den Gästen auf und ab, besah sich die Kostüme und wunderte sich wie immer über den Unverstand der Erwachsenen. Seine Stimmung war betrübt.
Und sie wurde noch schlechter, als er hörte, wie hinter seinem Rücken geflüstert wurde:
»Ich habe Euch ja gesagt, Eure Exzellenz, natürlich ist er kein Kind, sondern ein babylonischer gelehrter Zwerg. Und er ist bestimmt nicht jünger als fünfzig; schaut doch mal, die graue Locke – die hat er nicht gefärbt.«
O ihr Ignoranten, ihr Plapperzungen und Schwachsinnigen!
Doch es kam noch schlimmer.
Plötzlich kam der Favorit zu ihm gestürzt, beugte sich herab und flüsterte ihm etwas zu. Seine Augen glänzten wie die eines Verrückten.
»Sie ist hier, meine Psyche! Man hat gemeldet, sie ist vorgefahren. Drei Wochen schon hat sie sich nicht bei Hofe blicken lassen, aber diesmal hat sie sich nicht getraut, die Kaiserin zu enttäuschen. Hast du den Brief auch nicht vergessen?«
»Nein, ich weiß ihn noch«, murmelte Mitja.
»Hervorragend. Am Ende füge Folgendes hinzu«, sagte er und flüsterte ihm direkt ins Ohr: »Warte heute Nacht. Sobald die Verhasste einschläft, komme ich. Weder Schlösser noch Mauern können uns aushalten. Das flüstere ihr ins Ohr. Und wehe, du plauderst, ich reiße dir die Gedärme aus dem Leib!«
»Wer ist denn mit ihr eigentlich gemeint?«, fragte der arme Mithridates und seufzte hörbar. »Ich bin ja gar nicht auf dem Laufenden, welche Person das Herzensinteresse Eurer Exzellenz hat hervorrufen können.«
»Die Gräfin Chawronskaja. Pawlina Anikitischna, Paulinchen.«
Surow sprach diesen Namen so zärtlich, als sänge er ihn.
»Siehst du das Cembalo und die Harfe? Es wird jetzt musiziert. Zuerst wird der Thronfolger eine Romanze zu Ehren seiner Tochter singen, dann kommt sie dran, meine goldkehlige Nixe.«
Mitja ging ergeben zu der Erhöhung, wo sie schon den mit Treibhausmaiglöckchen geschmückten Sessel für die Kaiserin herrichteten und für das Geburtstagskind ein Tischchen in Form eines Moospolsters aufstellten.
Der Thronfolger war als Erlkönig kostümiert; er trug eine Krone aus Tannenzapfen und einen Mantel aus Biberschwänzen. Er mg entsetzlich, aber mit viel Gefühl und schön laut. Selbstvergessen öffnete er den breiten Mund mit seinen paar Zähnen, so dass die Spucke in alle Richtungen flog. Keiner hörte ihm zu. Die Höflinge schwätzten und flüsterten, während die Zarin sich mit er roten Nixe unterhielt: sie trug die mit Seerosen bekränzten Haare offen, auf ihr einfaches weißes Kleid war Flitter geklebt, er Fischschuppen darstellen sollte.
Sobald die letzten Akkorde verklungen waren und der Sänger, ohne dass auch nur ein einziger Zuhörer applaudiert hätte, das Podium verlassen hatte, sagte Katharina laut:
»Meine Brave, mach uns doch eine Freude und sing uns mein Lieblingslied.«
Die Nixe erhob sich, machte einen Knicks vor Ihrer Majestät und ging zu dem Cembalo.
Das war also die Passion von Platon Alexandrowitsch, er sollte sie also genauer unter die Lupe nehmen.
Mitja hielt sich nicht für berechtigt, die Schönheit eines Weibes zu beurteilen, da er nicht das entsprechende Alter erreicht hatte; Aber die Gräfin Chawronskaja zu betrachten, war zweifellos eine Freude. Ein rundes, herzförmiges Gesicht, gekräuselte Lippen, klare graue Augen, sehr lange Wimpern und rosig weiße Haut, dies war wunderschön. Dabei hätten schon die fülligen gewellten Haare gereicht, um auch ein im Gesicht hundertmal weniger schönes Weib anziehend zu finden.
Pawlina Anikitischna sang von einer graublauen Taube, die Tag and Nacht seufzt, weil ihr kleiner Freund für lange Zeit von ihr ortgeflogen ist; und der Zauber ihrer zarten Schönheit und ihrer sanften Stimme steigerte sich schier ins Unerträgliche – da stockte einem fast der Atem, die Luft blieb einem vor Begeisterung in der Kehle stecken und wollte nicht die Brust füllen.
Sie klatschten der Gräfin lange Beifall und riefen sogar »Bravo!«. Als sie an ihren Platz zurückkehrte, näherte sich Mitja ihr und baute sich hinter der Lehne des Sessels der
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