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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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und so radikal ändern wie Frauen, dachte Fandorin und blickte auf den Hörer, aus dem das Besetztzeichen tönte. In den sechs Jahren, die er Altyn kannte, hatte sie mindestens viermal ihre Haut gewechselt und sich total verändert. Am Anfang ihrer Liebesbeziehung hatte sie sich von einem kleinen, bösen Igel in eine leidenschaftliche, zärtliche Huri verwandelt (ach, waren das Zeiten gewesen, wie schade, dass sie vorbei waren). Dann, nach der Geburt der Kinder (es mussten natürlich unbedingt gleich zwei sein, Halbheiten und Kompromisse waren ihre Sache nicht), ging sie so auseinander, dass man kaum noch die frühere dünne und wendige Altyn in ihr erkennen konnte, sie verwandelte sich in ein starkes, schönes, fruchtbares Muttertier. Sie sagte, die dringendste Aufgabe einer Frau bestehe darin, Kinder zu kriegen und zu erziehen, etwas Wichtigeres auf der Welt gäbe es nicht. Sie verließ ein für alle Mal die Zeitung, bei der sie gearbeitet hatte, ohne das je zu bereuen. Als Nickis Kompagnon, der damals noch nicht ins Religiöse abgedriftet war, einen Medienkonzern schaffen wollte (ein Hobby, das zu jener Zeit bei den russischen Neureichen gerade aufkam) und Fandorins Frau vorschlug, ein erotisches Wochenblatt zu leiten, war Nicki der festen Überzeugung, Altyn werde empört ablehnen. Als sie unerwarteterweise einwilligte, bekam er Angst, ihr werde diese anspruchsvolle, unangenehme Arbeit über den Kopf wachsen.
    Doch sie schaffte es und zwar spielend. Sie bewahrte die Familie vor Armut und machte den Investor reich. »Eross« war das einzige lebensfähige Glied eines auf die Schnelle aufgebauten und genauso schnell zerfallenden Medienimperiums. Aber Altyn änderte sich noch einmal, und zwar wieder bis zur Unkenntlichkeit.
    Wenn wieder einmal eine Metamorphose mit seiner Frau vor sich ging, änderte sich alles an ihr: ihr Aussehen, ihre Figur, die Art zu reden, sich anzuziehen, ihre Gewohnheiten, und all das überhaupt nicht demonstrativ, sondern auf ganz natürliche Weise.
    Also gut, dann also Ziza.
    Erst Kaffee trinken, die Kinder in den Kindergarten bringen und dann in die Redaktion.
    Zum untergegangenen Konzern von Nickis Gönner gehörten in seiner Blütezeit der Satellitenkanal »Super TV«, das lokalpolitische Blatt »Konservative Zeitung« (vertrieben auf der Basis des auflagenstarken Lokalblattes »Junge Leute von heute«), die Hochglanzzeitschrift »Die Drohne« (Nachfolger des früheren Monatsblattes »Arbeitsnorm«) und das Wochenblatt »Eross«. Letzteres hatte das Büro und einen Großteil des Personals des Fachblattes »Sozialistischer Atommaschinenbau« übernommen, das der Medienzar zusammen mit der »Arbeitsnorm« und dem Lokalblatt »Junge Leute von heute« in einem Billigpaket gekauft hatte. Damals war der Mitbegründer der Firma »Land der Räte«, der gleichzeitig Miteigentümer einer Vielzahl anderer Firmen und Unternehmen mit völlig unklarem Profil war, begeistert von der Idee der Meinungsbildung gewesen und bereit, einige Dutzend Millionen in den Aufbau einer mit dem notwendigen Rüstzeug versehenen Medienlandschaft zu investieren. Aber er verlor mehr und mehr seine machtpolitischen Ambitionen, und die Zeit der unkontrollierten Experimente mit der öffentlichen Meinung neigte sich dem Ende zu, so dass die einzelnen Produkte des Konzerns sich selbst überlassen blieben: Wer schwimmen konnte, blieb oben, wer nicht, ging unter.
    Wie schon gesagt, blieb nur »Eross« am Leben. Vielleicht war der Grund für die Lebensfähigkeit der leichtsinnigen Publikation die Tatsache, dass Eros und Vitalität eng verschwistert sind und das eine ohne das andere nicht existieren kann, aber am ehesten waren es doch die unerschöpfliche Energie und der Biss der Chefredakteurin Mamajewa. Sie war es, die sich den Namen und die Konzeption ausdachte, nach der es das Erossland gab, in dem ganz bestimmte Leute, nämlich die Erossianer, wohnen, die sich von den Russen durch eine weniger große Verklemmtheit, das Fehlen von Komplexen und eine ausgeprägte Liebe zum Leben unterscheiden. Altyn war fest davon überzeugt, dass sie mit der Herausgabe dieser unanständigen Zeitung nicht nur Geld verdiente, sondern auch eine gute Tat vollbrachte, die darin bestand, dass sie Toleranz und Kreativität bei ihren Landsleuten förderte. Die Zeitung war farbig und hatte sechzehn Seiten: zehn Seiten Text und sechs Seiten Reklame. Letztere nannte man in der Redaktion liebevoll »Futterkrippe«, und jede der Textseiten war einem

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