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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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nicht zu schätzen gewusst. Nun aber hatte sich das Himmelstor geschlossen, und der Verstoßene war allein mit der Nacht, mit dem bösen Nordwind und dem eisigen Geniesei. Er konnte nirgends hingehen, aber stehen bleiben konnte er auch nicht – er würde erfrieren.
    Vom schlechten Wetter verjagt, entfernte sich der frühere Himmelsbewohner zitternd und schluchzend allmählich immer weiter von dem Paradies.

SIEBTES KAPITEL
    GREAT EXPECTATIONS oder
GROSSE ERWARTUNGEN
    (Dickens, 1861)
    Das ist einfach ein Sturm, sagte sich Nicholas und rieb sich die Augen. Regen mit Schnee vermischt, Nordwind, das in die Länge gezogene Ende eines warmen Herbstes.
    Die geträumte Offenbarung von dem Glassarg war bei genauerem Hinsehen vollkommener Blödsinn, aber der Morgen brachte wirklich etwas mehr Klarheit als die nächtliche Panik. Nicholas hatte eine einfache und produktive Idee, durch die sich Angst und Lähmung zwar nicht in Nichts auflösten, aber zumindest lichteten.
    Du bist doch Experte für Ratschläge, sagte sich Fandorin. Stell dir einmal vor, da kommt jemand zu dir mit solch einem schwierigen Problem. Was würdest du ihm raten?
    Und sein Hirn entledigte sich auf der Stelle von der Last der Emotionen und nahm schnell und kundig den Betrieb auf.
    Erstens: Auf die Miliz, die noch nicht einmal einen zum Tode verurteilten Steuerzahler zu schützen in der Lage ist, brauchen wir nicht zu hoffen. Der forsche Fahnder mit dem verdächtig teuren Mobiltelefon machte nicht gerade einen vertrauenerweckenden Eindruck. Die Rettung der Ertrinkenden müssen die Ertrinkenden selbst in die Hand nehmen. Das ist das Grundprinzip des russischen Lebens, das man in die Verfassung aufnehmen sollte, damit sich die Bevölkerung keinen unnötigen Illusionen hingibt.
    Zweitens: Einen Ansatzpunkt, wie ihn Hauptmann Wolf vermisste, gab es durchaus. Woher hatte der Pseudo-Kusnezow die Adresse der Firma? Die Telefonnummer, die in der Anzeige angegeben war, war nicht die des »Landes der Räte«, sondern die der Chefredakteurin der Zeitung »Eross«. Altyn hatte versprochen, selber die Aussichtslosen im Vorfeld abzuwimmeln, und obwohl es dem einen oder anderen »Erossianer« per Zufall oder mit List und Tücke gelungen war, diesen Wall zu durchbrechen, war die Mehrheit der Verrückten und Perversen doch bereits von der Redaktion herausgefiltert worden. Kusnezow dagegen war durchgekommen. Wie?
    Nicholas wählte die Handynummer seiner Frau.
    »Ja«, hörte er die bekannte raue Stimme.
    Wie oft hatte Fandorin seiner Frau schon gesagt, dass sie sich am Telefon völlig unmöglich benahm! Also wirklich, statt »Hallo« oder »Ja, bitte«, sagte sie einfach »Ja«, und als Antwort auf ein höfliches »Guten Tag« kam von ihr kurz angebunden »Tachchen«.
    »Na, wie geht es dir ? Wie ist das Wetter in Pieter?«, fragte Nicholas und redete erst einmal um den heißen Brei herum. »Hier ist seit heute Morgen ein Gewitter.«
    Altyn hatte ein Näschen wie ein Spaniel. Wenn er sie nicht alarmieren wollte, musste er sein Anliegen deshalb gut kaschieren.
    »Machs kurz, Fandorin«, unterbrach ihn seine Frau. »Ich leite gerade eine Sitzung. Ist etwas mit den Kindern passiert?«
    »Nein.«
    »Und mit dir?«
    Er zitterte. Hatte sie etwas gemerkt?
    »Nein, nein, es ist alles in Ordnung«, versicherte ihr Nicholas schnell.
    »Was ist denn los?«
    Oh, du unsentimentale Urenkelin des Khans Mamaj, du Gegnerin nichtssagender Zärtlichkeiten und liebenswerten Gemurmels! Nicki hatte von ihr nie gehört »Ich liebe dich«, obwohl er keinen Zweifel daran hatte, dass sie ihn – wofür auch immer – liebte. Wäre das nicht der Fall, sie würde nicht mit der Wimper zucken, sie würde ihn auf Nimmerwiedersehen verlassen.
    »Na los, zur Sache, Schätzchen«, drängte Altyn.
    Aus Angst, sie könne, wie das so ihre Art war, einfach aufhängen, beeilte sich Nicholas zu sagen:
    »Du hast mir gestern so einen tollen Kunden geschickt. Einen gewissen Kusnezow, kannst du dich erinnern? Ich wollte mich dafür bei dir bedanken.«
    »Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank, Fandorin«, unterbrach ihn Altyn. »Ich bin doch nicht blöd und unterhalte mich mit deinen Bekloppten. Das macht Ziza.«
    »Ziza«, so nannte sie ihre Assistentin Cäcilia Abramowna. Er hätte also gar nicht in Petersburg anzurufen brauchen. Er hätte sich auch selber denken können, dass Altyn nicht die Anrufe jedes x-Beliebigen entgegennahm, das wäre nun wirklich zu viel verlangt.
    Männer können sich nicht so oft

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