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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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wieder nicht.«
    »Was ist denn an dem Namen › Nikolaj Iwanowitsch Kusnezow ‹ romantisch?«, fragte Nicki verwundert.
    »Ihre Generation weiß von den Kriegshelden aber auch gar nichts mehr«, sagte Ziza und schüttelte vorwurfsvoll ihre grauen Haare. »Na, der legendäre Nikolaj Kusnezow, der die faschistischen Generäle umgebracht hat. Erinnern Sie sich an den Film › Die Heldentat des Kundschafters«? Und dann gab es noch einen sehr guten Film mit Gunar Zilinski: › Der Kundschafter ‹ . Haben Sie den nicht gesehen?«
    Nein, Nicholas hatte diese Filme nicht gesehen, aber durch seine Brust fuhr ein kalter Schauer. Wie falsch es doch war, dass Sir Alexander seinen Sohn nicht mit den Werken der sowjetischen Massenkultur hatte bekannt werden lassen. Er hatte das Gefühl, dass genau aus dieser Ecke, aus der für Nicki so unverständlichen und geheimnisvollen Vergangenheit Russlands, sich zischend eine Schlange erhob, die ihre todbringenden Giftzähne in ihn schlagen wollte.
    »Hier«, sagte Cäcilia Abramowna. »Ich habe es aufgeschrieben, 10 Uhr 45. Ilja Lasarewitsch Schapiro.«
    Nicholas zuckte zusammen. Schapiro, das war zwar ebenfalls ein weit verbreiteter Nachname, aber nicht Kusnezow. Doch sofort war er wieder ernüchtert. Nie im Leben hieß er Schapiro. Er hatte einfach den typisch jüdischen Singsang in Cäcilia Abramownas Stimme wahrgenommen und beschlossen, sich einen jüdischen Nachnamen zuzulegen, um sie für sich einzunehmen.
    »Was bedrückt Sie denn so? Ist der auch nicht gekommen? Keine Angst, der kommt bestimmt. Ein ernster Mann mit einem ernsten Problem, das hat man schon an der Stimme gehört.«
    Nicholas dankte und näherte sich niedergeschlagen dem Ausgang. Er hatte leider doch keinen Ansatzpunkt gefunden.
    Da klingelte das Telefon.
    »Redaktion der Zeitung › Eross ‹ . Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«, sagte Ziza mit ihrer jeden für sich gewinnenden Stimme.
    Fandorin drehte sich um, um ihr zum Abschied zuzunicken, und sah auf einmal, wie über das kleine Display des Telefons immer wieder kleine Zahlenreihen liefen, die sich zu einer siebenstelligen Nummer fügten. Eine Anrufer-Identifizierung!
    Worüber die Assistentin mit dem Anrufer sprach, das kriegte Nicholas nicht mit – zu laut pochte ihm das Blut in den Ohren.
    Als Ziza sich mit den Worten »Machen Sie es gut« verabschiedet und den Hörer aufgelegt hatte, zeigte er auf den Apparat und fragte:
    »Funktioniert die gut?«
    »Die funktioniert ausgezeichnet, manchmal zeigt sie sogar bei Ferngesprächen die Nummer an. Wissen Sie, Nikotschka, hier haben schon oft irgendwelche Flegel angerufen. Hallo, haben die gesagt, ich möchte folgende Anzeige aufgeben. Und dann kamen allerhand Obszönitäten und übelste Flüche. Ich habe dafür gesorgt, dass die Verwaltung mir einen Telefonapparat mit Anrufer-Identifizierung hinstellt; auf diese Weise weiß ich im Handumdrehen, mit wem ich es zu tun habe. Es stellte sich heraus, dass es sich um Achtklässler handelte, Schulschwänzer.«
    »Können Sie die Anrufe von gestern durchsehen?«
    »Möchten Sie Ilja Lasarewitsch von sich aus anrufen? Das sollten Sie nicht tun, das ist unprofessionell. Aber ich gucke sofort, einen Augenblick.«
    Und sie betätigte irgendwelche Knöpfe.
    »Hier, 10 Uhr 45. Sehen Sie?«
    Und sie drehte den Apparat so, dass Nicki möglichst leicht die Nummer notieren konnte. Sie begann mit 235, das war der Bezirk um den Leninprospekt.
    »In Ihrem Computer müsste es eine Datenbank der Teilnehmer des Moskauer Telefonnetzes geben«, sagte Fandorin mit vor Aufregung zitternder Stimme. »Gucken Sie bitte, was für eine Nummer das ist.«
    »Gerne.«
    Das Arbeiten mit dem Computer hatte Cäcilia Abramowna gleichzeitig mit dem Stenographieren gelernt; sie freute sich über die Möglichkeit, ihr Können unter Beweis zu stellen. Sie startete flott das entsprechende Programm, gab die gesuchte Nummer ein, und ein paar Sekunden später tauchte das gewünschte Resultat auf dem Bildschirm auf: »Schibjakin, Iwan Iljitsch. Uliza Lyssenko 5, Wohnung 36.«
    »Schade«, sagte Ziza verstimmt. »Hat nicht geklappt. Die Anrufer-Identifizierung hat wahrscheinlich eine der Ziffern verwechselt, das kommt vor.«
    »Ja, sieht so aus. Aber ich notiere es trotzdem.«
    Vielleicht war der Anrufer-Identifizierung ja wirklich ein Fehler unterlaufen. Und wenn nicht? Was, wenn das wirklich das Fadenende war, an dem man ziehen musste, um das ganze Knäuel zu entwirren?
    Als er die Redaktion verließ,

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