Der Favorit der Zarin
natürlich nicht im Traum gedacht) angeboten hätte, die Leitung der neuen erotischen Wochenzeitung zu übernehmen, wäre vielleicht alles anders gekommen.
»Es gibt keine unlösbaren Dinge«, beruhigte Nicholas den neuen Kunden und setzte sein breites europäisches Lächeln auf, das er während der Jahre, die er im ernsten Russland lebte, nicht verlernt hatte, obwohl er genau wusste, dass die Einheimischen auf diese Demonstration der Vorzüge der »Colgate«-Zahnpasta mit Misstrauen und Vorsicht reagierten. Manchmal kam es vor, dass er auf einen Menschen auf der Straße zugehen wollte, um nach dem Weg zu fragen, und freundlich lächelte, da wimmelte sein Gegenüber ihn schon ab und meinte: »Lasst mich in Ruhe, das ist ja zum Kotzen mit diesen verfluchten Zombies von der Mun-Sekte.«
»Über die Bezahlung reden wir später, wenn Sie mir Ihr Anliegen vorgetragen haben. Aber sagen Sie bitte erst Ihren Namen. Was sind Sie von Beruf?«
»Mein Name ist Nikolaj Iwanowitsch Kusnezow«, stellte sich der Besucher vor und setzte sich so wichtigtuerisch auf den Stuhl, als handele es sich um einen Königsthron. »Von Beruf bin ich Richter. Sie wollen also sagen, so etwas gibt es nicht? Sie knacken jedes Problem wie eine Nuss?«
Fandorin erriet gleich, dass der Name erfunden war, doch das war in Ordnung; es handelte sich also um eine heikle Angelegenheit, die Diskretion erforderte. Ein Richter? Wohl kaum. Aber in Russland sehen die Richter ohnehin nicht nach Richtern aus, sie umgibt weder Würde noch eine Aura der Unanfechtbarkeit. Obwohl der Blick des unscheinbaren Herrn Kusnezow so war, wie es sich für einen professionellen Herrn über Leben und Tod gehört: gewichtig, selbstbewusst, unbestechlich. Vielleicht war er doch Richter.
Oder ein Spinner, dachte Nicholas auf einmal und betrachtete den »Richter Kusnezow« aufmerksam. Und wenn er schon wieder nur seine Zeit vertat?
»Wenn man gut genug nachdenkt«, sagte er laut und lächelte noch breiter, »findet man immer einen Ausweg, selbst in der schwierigsten Situation.«
Der Anonyme (so taufte Fandorin seinen Gesprächspartner in Gedanken, weil in Russland »Kusnezow« zu heißen dasselbe ist, wie wenn man sich als Mister X vorstellt) nickte zufrieden, als habe er mit genau dieser Antwort gerechnet. Seine Augen mit den erweiterten Pupillen funkelten halb leidenschaftlich, halb wahnsinnig.
»Wie viele Stockwerke hat dieses Haus?«, fragte er aus heiterem Himmel.
»Sechs«, antwortete Fandorin geduldig. »Und oben ist noch ein Speicher. Warum fra. . .«
»Hervorragend. Angenommen, ich steige aufs Dach, zum Beispiel, um die Fernsehantenne auszurichten. Da rutsche ich aus und stürze nach unten, ein Unglücksfall. Ich falle hinunter, an Ihrem wunderbaren Fensterchen vorbei.« Der Besucher zeigte auf das hohe Fenster, das zur Uliza Soljanka lag. »Würden Sie auch in einem solchen Falle einen rettenden Ausweg für mich finden? Können Sie mir einen klugen Rat geben?«
»Natürlich. Wenn Sie unterwegs in mein Fenster flögen und Ihr Problem darstellten«, gab ihm Nicholas im selben Tonfall die Antwort. »Aber bisher sind Sie doch gar nicht vom Dach gefallen, lassen Sie uns unsere Zeit nicht vertun. Was führt Sie zu mir?«
»Aha«, sagte der Mann unheilverkündend und brummelte halblaut: »Wir halten fest: Die Firma › Land der Räte ‹ kann nicht aus jeder Situation einen Ausweg finden.«
Und er griff wirklich nach seiner Innentasche, als wolle er eine Eintragung machen.
Fandorin wurde wütend und sagte:
»Jemand, der vom Dach fällt, hat nicht die Wahl, weil er ein Gegenstand ist, der sich mit einer Beschleunigung von 9,81 Metern pro Quadratsekunde zur Erde bewegt, und basta.«
»Aha, da habe ich Sie also geschlagen. Sie brauchen die Freiheit der Wahl. Dann hätten Sie in Ihrer Anzeige schreiben sollen: › Nur für Kunden, welche die Freiheit der Wahl haben, ist der Ausweg garantierte Das wäre richtiger. Und ehrlicher.«
Trotz seiner Unhaltbarkeit traf der Vorwurf Nicholas an der empfindlichsten Stelle – er hielt sich für einen Mann des Wortes, und bei den geringsten Zweifeln an seiner Anständigkeit reagierte er empfindlich.
»Sie haben mich überhaupt nicht geschlagen. Das ist eine Frage der Definition. Was ist Ihrer Meinung nach ein › Ausweg aus einer schwierigen Situation ‹ ?«
»Das Ende dieser Situation.«
»Was wollen Sie denn dann«, witzelte Nicki. »Sie landen bald auf dem Boden, und damit ist diese Situation aufs Schönste beendet.«
Das
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