Der Favorit der Zarin
zu kreischen oder wäre auf Garantie in Ohnmacht gefallen; Pawlina dagegen verlor ihre Geistesgegenwart nicht und schrie die Diener an:
»Haut mit den Säbeln auf ihn ein, solange die anderen noch nicht da sind! Schnell!«
Mitja drückte sich die Nase an der Hinterscheibe platt.
Er sah, wie zuerst Lewonti und dann Foma in den Schnee sprangen, auf den Räuber zugingen und die Säbel zückten. Er dachte, der werde zurückreiten und Verstärkung holen, aber der Missetäter ließ das Pferd sich aufbäumen und brachte es wieder in Stellung. Er steckte die entladene Pistole weg und zog den Degen.
Spielerisch leicht klirrte er mit der Klinge gegen Lewontis Säbel und traf den Diener sofort unter dem Ohr. Der Arme tat keinen Muckser und fiel zu Boden. Foma wollte zurückweichen, aber es war zu spät. Der Reiter beugte sich vor und stach mit dem Degen zu. Auch Foma wimmerte sofort, fiel in den Schnee und konnte nur noch strampeln.
Sie waren verloren!
Mitja ließ sich vom Sitz auf den Boden fallen. Seine Zähne schlugen aufeinander, und dieses gleichmäßige Klappern hallte in seinem ganzen Schädel wider.
Auch Pawlina saß auf dem Boden und spannte mit zitternder Hand den Hahn an der Pistole.
»Keine Angst, mein Kleiner«, sagte sie. »Ich kann schießen, das hat mir mein Mann beigebracht.«
Dabei war sie selber leichenblass.
Draußen knirschten Schritte im Schnee. Er war vom Pferd gestiegen und näherte sich ihnen.
Sie richtete die Mündung, biss sich auf die Unterlippe und stieß Mitja unter den Sitz. Sie flüsterte:
»Halt dir die Ohren zu und schließ die Augen, es ist für dich noch zu früh, so etwas zu sehen.«
Zwar versteckte er sich, machte aber nicht die Augen zu, sondern linste an ihrem Mantelschoß vorbei.
Die Tür öffnete sich.
Der Räuber war ein wahrer Riese, er verdeckte die ganze Aussicht mit seinem Körper.
»Um Gottes willen! Nimm, was du willst, und geh! Und versündige dich nicht!«, flehte die Gräfin, die mit beiden Händen die Waffe umklammerte und auf seine Stirn zielte.
Er lachte heiser, und seine Augen verengten sich davon zu Schlitzen.
Da gab sie einen Schuss ab.
Die Kutsche füllte sich mit Rauch, aber noch davor hatte Mitja gesehen, wie der Unhold sich geschickt duckte, so dass die Kugel ihm nichts anhaben konnte.
Pawlina schlug mit dem Griff auf seinen Kopf ein, was dem Riesen aber nichts ausmachte. Er nahm ihr nur die Pistole ab und schleuderte sie zu Boden. Doch die Kühne gab auch da nicht auf. Sie verkrallte sich in seinem Gesicht und zog ihm die Maske weg.
Es war Pikin!
Mitja verkroch sich so weit wie möglich unter dem Sitz, er konnte nichts mehr sehen, sondern nur noch die Stimmen hören.
»Da brauche ich mich also gar nicht zu verstecken«, sagte der schreckliche Preobrashenze. »Nur Ihre Diener muss ich jetzt kaltmachen. Denunzianten kann ich nicht brauchen.«
»Nein, bloß nicht!«, flehte sie. »Schließlich sucht Ihr nicht die beiden, gnädiger Herr, sondern mich. Oder hat Euer Herr Euch den Befehl gegeben zu morden?«
Der Hauptmann schnitt ihr das Wort ab:
»Da seid Ihr selber schuld. Ihr hättet mir ja nicht die Maske abzuziehen brauchen, sondern hättet in Ohnmacht fallen können. Was mir der Fürst befohlen hat, das soll zwischen mir und ihm bleiben. Es geht dabei ja gar nicht um Mord, sondern um Verbrechen der Liebe, um das Spiel der Leidenschaften. Bleibt hier sitzen.«
Er schlug die Tür wieder zu.
Eine jammernde Stimme, ob die von Foma oder die von Lewonti war unklar, bat inständig:
»Guter Mann, guter Mann . . .«
Die Gräfin wiederholte immer wieder:
»Um Gottes willen, um Gottes willen . . .«
Die Schritte näherten sich wieder, und die Angeln quietschten.
»Wunderschöne Psyche«, erklärte Pikin. »Ich habe den Befehl, Euch an einen lieblichen Ort zu bringen, wo Euch Amor, der Gott der Leidenschaft, erwartet. Und außerdem soll ich ausrichten . . .«
»Woher wusstet Ihr, wo Ihr mich suchen müsst?«, unterbrach ihn die Chawronskaja. »Ich habe es niemand gesagt.«
Pikin sagte höhnisch grinsend:
»Ihr hättet etwas leiser vor dem Palast › Richtung Moskau ‹ rufen sollen. Aha, da kommt ihr also endlich, ihr verfluchten Kerle.«
Das sagte er, als er das Getrappel der ankommenden Pferde hörte.
Er ging seinen Heiducken, oder wer sie nun waren, entgegen, brüllte sie an und fluchte.
Pawlina aber ging in die Hocke und zog Mitja aus dem Versteck.
»Schnell, mein Lieber, schnell. Lauf los! Dieses Tier wird auch ein kleines Kind nicht
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